Abwehrmechanismen:
Warum & wie wir Intimität abblocken
Artikel aus Identity Network
Mit freundlicher Genehmigung des Autors Junior deSouza,
Juli 2009, www.juniordesouza.com
Übersetzung Birgit Barandica E.


Junior deSouza
Intimität ist unglaublich schwer zu fassen! Obwohl wir sie alle wollen und auch brauchen, sind wir oftmals selbst der Grund, dass sie uns entgleitet. Möge der Herr unsere Augen öffnen, damit wir zur Erkenntnis gelangen und von unseren Abwehrmechanismen zu Erfüllung bringenden und lebenslanger Intimität mit nahestehenden Menschen finden.

Authentische Beziehungen
Was ist Intimität?

Intimität ist die bedeutsame und erfüllende Beziehung zwischen zwei oder mehr autentischen Einzelpersonen. Verletzlichkeit und Vertrauen sind stets vorausgesetzt, da

der Einzelne im Wesentlichen ständig verletzbar ist und Sicherheitsbestätigung benötigt, um sich selbst entfalten zu können. Intimität ist gegeben, wenn das wahre Ich in einem Moment völligen Vertrauens auf seelischer Ebene mit dem wahren Du zusammentrifft.


Emotionale Ängste
Warum wird Intimität abgeblockt?

So wie Intimität zwischen Menschen stattfindet, kann sie ebenfalls mit Gott stattfinden. In unserer Beziehung mit Ihm können wir Intimität ausleben, wenn wir uns mit unserem wahrhaftigen Ich regelmäßig Seiner Gegenwart aussetzen - mit allem Guten, allem Schlechten und allem Dazwischenliegenden. Wenn ich mich Gott mit meinem innersten Ich nähere, dann kann Er meine Gegenwart aus Seinem innersten Ich heraus erwidern und mich mitreißen (Psalm 42,8): ich werde eins mit Seinem Herzen und Seiner Seele, weit über Sein Wirken, Seine Gaben und Herrschaft hinaus.

Intimität wird jedoch geblockt, wenn jemand bestimmte Verhaltensweisen anwendet, um potentielle Eindringlinge in das eigene Herz bzw. in seine Seele abzuwehren. Diese Verhaltensweisen bezeichnet man gewöhnlich als Abwehrmechanismen oder einfach als Abwehr. Wir werden uns gleich mit ihnen befassen. Im Allgemeinen wird Intimität aus vier verschiedenen Gründen geblockt:

Angst vor vergrabenem Schmerz
Derjenige, der nicht aufgearbeitete, vergrabene Verletzungen in sich trägt, wird von dem puren Gedanken an ein nochmaliges Erleben dieses Schmerzes terrorisiert. Je größer das Trauma, desto größer der vergrabene Schmerz und desto größer die Angst vor diesem Schmerz. Folglich blockt derjenige Menschen, Interaktionen oder Szenarien ab, bei denen dieser Schmerz erneut ausgelöst und wieder erlebt werden könnte.

Angst vor Verurteilung
Wer mag schon gern verurteilt, kritisiert und auseinandergepflückt werden? Niemand. Manche Persönlichkeitstypen and Reifegrade können besser damit umgehen und die Dinge abwehren als andere, aber dennoch sind sie weder wünschenswert noch gut (Matthäus 7,1-5). Mancheiner blockt Intimität sofort ab, wenn es nur nach 'Verurteilung' riecht.

Angst vor Spott
Bestätigung ist ein Grundbedürnis. Leider wachsen viele von uns in Familien auf, in denen Wertschätzung kaum existiert, die Scham dafür um so größer ist. Solche verwundeten Seelen tendieren dahin, dichtzumachen, wenn sie potentielle Scham aufspüren: sie enthalten sich jeglicher sinnvollen Selbstentfaltung. Wer lässt schon gern sein tatsächliches Wesen heraus, nur um ausgelacht, herabgesetzt oder verspottet zu werden? Saul hatte sich aus eben diesem Grund bei seiner königlichen Proklamation versteckt (1. Samuel 10,21.22), was darin endete, dass sie dennoch stattfand, so wie er es befürchtet hatte (Vers 27).

Angst vor Ablehnung
Genauso, wie wir eine angemessene Dosis der Bestätigung brauchen, benötigen wir in einer Gruppe oder Gemeinschaft ebenfalls eine soziale Nische bzw. Annahme. Manche Menschen blocken Intimität aus Angst davor ab, dass sie ihrer Selbstentfaltung entrechtet werden bzw. dass sie von eben jener Gruppe abgelehnt werden könnten, mit der sie sich doch eigentlich identifizieren wollen.


Abwehrmechanismen
Wie wird Intimität abgeblockt?

Abwehrmechanismen sind Verhaltensformen, die Menschen anwenden, um potentielle Eindringlinge in ihre Herzen bzw. Seelen abzuwehren. Jeder von uns hat schon einmal aus welchem Grund auch immer zu irgendeiner bestimmten Zeit solche Barrieren um sich herum aufgebaut. Jedoch sollte, während Gott uns emotional heilt, uns von Menschenangst befreit und unsere allgemeine Persönlichkeit reinigt, eine derartige Abwehr immer geringer und weniger wichtig werden.

Wir sollten dabei ebenfalls bedenken, dass diese Art der Abwehr manchmal unbewusst errichtet wird. Wir erkennen vielleicht gar nicht, wann bzw. wie sehr wir von ihr abhängig sind, bis es uns auf einmal in einem Moment der 'Erleuchtung' dämmert. Möge dies unser Moment sein!

'Vermarkten' von Erreichtem
Einige Menschen lenken die Aufmerksamkeit von ihren Herzen und Seelen ab und konzentrieren sich nur auf Dinge, die sie erreicht bzw. aufgebaut haben. Mit anderen Worten, sie richten in ihren Gesprächen und Interaktionen mit anderen Menschen sämtliche Aufmerksamkeit auf ihre Erfolge, Siege und Dinge, die sie erreicht haben. Das ist eine Form von "sein Bestes geben". Bei einem Vorstellungsgespräch mag das ja ok sein, aber nicht bei den eigenen Angehörigen, Freunden etc. und noch weniger beim Herrn, die alle mehr von uns als nur unsere Erfolge sehen wollen. Emotional bedürftige und unreife Menschen sind meist sehr beeindruckt von solch einer "Eigenwerbung". Der Stabile fühlt sich dadurch jedoch eher genervt und weist sie als Angeberei zurück. Während der emotional Gesunde, der geistlich unterscheiden kann, den Abwehrmechanismus als das, was er ist, erkennt.

Vortäuschung von Stärke
Andere täuschen persönliche Stärken vor, wie Talent, Schönheit, Erbe, Reichtum usw. Dies ist ein wenig anders geartet als das Vermarkten von Erreichtem. Hier wird das hervorgehoben, was man besitzt, während Ersteres das hervorhebt, was man getan hat. Auch dies hier ist eine Art von "sein Bestes geben", was bei einem Vorstellungsgespräch zwar ok ist, jedoch nicht bei engen Beziehungen, in denen es auf eine umfassende Selbstdarstellung ankommt.

Ärger
Wie gut funktioniert Ärger? Äußerst gut. Der gelegentliche Zorn, eine heftige Explosion hier und da, ein aggressiver Ton, eine brodelnde Reizbarkeit, ein verkrampfter Gesichtsausdruck, hektische Bewegungen... wer will sich schon mit so etwas abgeben? Ärger ist zweifellos einer der erfolgreichsten Abwehrmechismen. Er beginnt jedoch zu bröckeln, wenn sich der andere nicht von solchen kindischen Wutanfällen beeindrucken bzw. nerven lässt.

Die vielbeschäftigte Martha konnte die Intimität mit Jesus umgehen, indem sie sich mit Dingen beschäftigte (Lukas 10,38-42). Extreme Geschäftigkeit, immer auf dem Sprung sein und Hyperaktivität sind Abwehrmaßnahmen, um sich bedeutsame, sinnvolle Beziehungen vom Leibe zu halten. Wer kann jemandem nahe sein, so richtig nahe, der seine Aktivitäten nie verlangsamt? Das gilt gleichermaßen für unsere Beziehung zu Menschen wie auch zu Gott (Psalm 46,11).

Intellektuelle Sinnentstellung
Manchmal ist der Kopf der Feind des Herzens. Manche Menschen, besonders die Intelligenten, verbarrikadieren sich vor Intimität, indem sie sich als "sprechende Köpfe" geben. Sie gebrauchen intellektuelle Sinnentstellungen, Rhetorik und Ablenkungen, um ungefilterte, emotionale Verletzbarkeit und Beziehungsbindungen zu meiden.

Eltern, die gerade mit der Erziehung ihres Kindes beschäftigt sind, teilen keine komplette Intimität mit ihnen. Die durch den Altersunterschied bedingten mentalen und sozialen Kontraste sind einfach zu groß. Erwachsene, die jedoch auf ähnliche Weise die "Elternrolle" bei anderen Erwachsenen spielen, behalten solch eine Distanz bei. Diejenigen, die willkürlich und unaufhörlich andere um sich herum erziehen, wie ein Pastor behandeln und bevormunden wollen, tun dies aus einem Abwehrmechanismus heraus. Die Logik ihres Bewusstseins und Unterbewusstseins klingt in etwa so: Wenn ich mich wie dein Elternteil verhalte, dann muss ich keine Herz-zu-Herz-Beziehung mit dir eingehen, denn ich bin ja dein Elternteil, klar? Dieses Elternspiel ist nichts anderes, als nur ein weiterer Intimitätsblocker.

Übergeistlichkeit

Eine unter Christen häufig anzutreffende, trickreiche Abwehr ist die Übergeistlichkeit. Christen verstecken ihre wahre Person hinter exzessiver Christlichkeit, Schriftzitaten, dramatischen geistlichen Geschichten, "Gott hat mir gesagt", usw. Diesen nervigen Geschwistern muss gelegentlich Einhalt geboten werden und man muss sie fragen: "Hallo??? Ist dein eigentliches Ich auch noch irgendwo?" Ich stelle den Wahrheitsgehalt ihrer Beziehung zu Gott bzw. ihrer Erfahrungen absolut nicht infrage, nur den Wahrheitsgehalt ihrer geistlichen Reife, ihrer emotionalen Ganzheit und ihrer beziehungsmäßigen Erfüllung.

Übertriebene Unabhängigkeit

Unabhängigkeit ist gut und notwendig, aber übertriebene Unabhängigkeit ist ein Sich-Verstecken vor Intimität. Isolation, Zurückgezogenheit, extreme Privatsphäre und Einzelgängertum sind genau solche Schutzreaktionen, wie beim Extrovertierten, der sich als Ich-brauche-keinen-Menschen ausgibt.


Co-Abhängigkeit

Co-Abhängigkeit ist keine Intimität, sie ist Überleben. Sie ist keine bedeutsame Beziehung, sondern ein verzweifelter Rettungsring. Sie beschreibt einen Menschen, der einem anderen das Leben aussaugt, bzw. zwei Menschen, die sich gegenseitig das Leben aussaugen; aber keine zwei Menschen, die im Auftrieb echter Verletzlichkeit und Vertraulichkeit miteinander umgehen.

Lieber Herr und Vater, wir erkennen unsere Abwehr, die wir aus Angst anwenden. Wir tun Buße darüber und bitten dich um Vergebung. Wir bitten um deine Gnade, um auf bessere und biblische Weise auf unsere emotionalen Bedürfnisse und Krisen eingehen zu können. In Jesu Namen, Amen.


Abwehr im Gegensatz zu Grenzen
Unser Herz beschützen

In Sprüche 4,23 (Elberfelder Übersetzung) heißt es: "Mehr als alles, was man sonst bewahrt, behüte dein Herz! Denn in ihm entspringt die Quelle des Lebens." Salomo drängt uns hier nicht zu Abwehrhaltungen oder zur Beziehungsunfähigkeit, sondern dazu, weise persönliche Grenzen zu setzen, die von anderen nicht überschritten werden.

Das Gegenteil von Abwehr ist Nachgiebigkeit. Zu einer übertriebenen Nachgiebigkeit überzuschwenken, macht uns den falschen Menschen gegenüber, zur falschen Zeit und auf falsche Weise verletzbar. In Psalm 48,12.13 heißt es, dass die Stadt Gottes Wachtürme, Wälle und Zitadellen hatte. In Johannes 2,24.25 lesen wir, dass Jesus selbst Grenzen setzte. Wieviel mehr benötigen wir sie? Nicht nur, dass Grenzen uns vor den Bösen bewahren, sie bewahren ebenfalls unsere Beziehungen. Wenn Intimität zu blühen beginnt, dann schützen solche Grenzen den Weinberg vor den einbrechenden Füchsen, die alles verwüsten (Hoheslied 2,15).

Durch Selektion errichten wir Grenzen in vier verschiedenen Gebieten: Gespräch, Zeit, Berührung und Sachvermögen. In unseren Gesprächen sollten wir bezüglich der persönlichen Informationen, die wir anderen mitteilen, selektiv sein (Psalm 141,3, Sprüche 13,3; 18,6.7). Wir sollten unsere Zeit, die wir mit bestimmten Menschen in bestimmten Orten verbringen, sorgsam einteilen und verwalten (Psalm 101, Sprüche 12,26; 22,5). Auch mit unseren Berührungen sollten wir selektiv sein: wir sollten darauf achten, mit wem und wie wir körperlichen Kontakt zulassen (1. Samuel 20,41, Hoheslied 2,7, 1.Thimotheus 4,3-6; 5,2). Und wir müssen mit unserem Sachvermögen selektiv sein: wir müssen überprüfen, mit wem, wann und wie wir unser Eigentum mit anderen teilen (Esra 8,21; Hiob 5,24; Sprüche 12,27).

Lebenslange Intimität

Gott möchte, dass wir unser ganzes Leben lang Intimität mit anderen genießen können. Das können wir durch das rechte Verständnis der vier "richtigen" Beziehungen erreichen:

Gehe Beziehungen mit den richtigen Menschen ein
Es gibt einen Typ Mensch, der für Intimität ideal ist (Psalm 101). Wir sollten alle danach trachten, dieser Mensch zu sein und wir sollten gleichfalls alle darum beten, dass Gott uns solche Menschen über den Weg schickt bzw. für uns bereitstellt. Dieser Typ Mensch ist in den meisten Fällen jemand ohne Abwehrmechanismen; es ist jemand, der willens und bereit ist, aus seiner Festung hervorzutreten und seine Seele jemand anderem gegenüber zu öffnen. Dieser Typ Mensch versteht Grenzen: er ist bereit, Grenzen innerhalb seiner Gespräche, Zeit, Berührungen und Sachvermögen zu wahren, damit eine etwaig aufblühende Intimität geschützt wird. Und am allermeisten ist dieser Typ Mensch mit seiner ersten Liebe eng verbunden (Offenbarung 2,4): Intimität mit Jesus ist Grundlage und Unterweisung aller menschlichen Beziehungen (Matthäus 7,24-27).

Gehe Beziehungen aus den richtigen Motiven ein
Intimität sollte bei allen Beteiligten zu gleichen Teilen aus Geben und Nehmen bestehen, wobei das Geben der Anfang und die Basis ist (Römer 12,10; 1. Korinther 13,5; Philipper 2,3.4). Diejenigen, die Beziehungen eingehen, um in erster Linie zu nehmen, haben keine Intimitätsmentalität. Beziehungen aus den richtigen Motiven einzugehen, bedeutet zuerst zu geben und dann zu nehmen. Beziehungen implodieren bzw. explodieren, wenn einer oder beide der Beteiligten das Nehmen an erste Stelle setzen.

Gehe Beziehungen zur rechten Zeit ein
Intimität ist ein Opportunist - in ganz bestimmten Zeiten kann sie vergrößert und erwärmt werden. Siege, Krisen und Veränderungen sind goldene Gelegenheiten, um tiefe Beziehungen einzugehen (1. Samuel 20, Römer 12,15). In solchen Zeiten sollten mehr Energie, Gedanken und Gebet gezielt eingesetzt werden. Gehe Beziehungen zur rechten Zeit ein.

Gehe Beziehungen auf die richtige Weise ein
Menschen haben verschiedene Liebesdefizite, die auf vergangenen Erfahrungen gründen. Menschen haben ebenso verschiedene Vorlieben, die auf ihrer Persönlichkeit und Berufung gründen. Durch Sensibilität und Beobachtung wird beides deutlich. Beziehungen auf die richtige Weise einzugehen bedeutet, die Liebe anzupassen, damit Defizite geheilt und Vorlieben zufriedengestellt werden können (Epheser 4,29, Philipper 2,4).

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