Das Ende der Selbstzweifel
Palästinensische Ablehnung der Grundsatzrede Netanjahus
Von David Parsons, Veröffentlicht in der Juli-Ausgabe der Jerusalem Post Christian Edition
Newsletter ICEJ, 19.06.2009
Premierminister Netanjahu spricht an der Barl-Ilan-Universität (Reuters)Die schnelle und vollständige Ablehnung des israelischen Friedensangebots war selbst nach palästinensischen Maßstäben verblüffend.
Premierminister Benjamin Netanjahu hatte am 14. Juni seine Grundsatzrede gehalten, in der er sich endlich mit der möglichen Errichtung eines Palästinenserstaates abgefunden hatte. Dies hätte den Palästinensern Grund zur Freude geben sollen. Natürlich war Netanjahus Akzeptanz mit harten Vorbedingungen versehen ein solcher Staat müsste demilitarisiert sein und Israel als Heimstatt des jüdischen Volkes anerkennen. Doch dies waren unter objektiven Gesichtspunkten ziemlich vernünftige Anfangsforderungen. Selbst US-Präsident George W. Bush hatte strenge Kriterien an die amerikanische Anerkennung eines künftigen Palästinenserstaates angelegt. Warum nun diese überstürzte, hysterische Schmähung durch das palästinensische Lager?
Verwunderung selbst bei linken Israelis
Minuten nach Ende der Rede Netanjahus an der Barl-Ilan-Universität überzogen Saeb Erekat und andere berufsmäßige Nörgler der Palästinensischen Autonomiebehörde ihn in den Medien mit persönlichen Beschimpfungen und Drohungen einer dritten Intifada. Bibi wurde als „Lügner und Betrüger” abgestempelt, der gerade den Friedensprozess lebendig begraben hätte. Sie verspotteten Netanjahu und erklärten, dass er in tausend Jahren keinen einzigen Palästinenser finden würde, der mit ihm verhandeln wollte.
Selbst ihre Freunde in der linksliberalen israelischen Presse wunderten sich über die ungewöhnlich „impulsiven“, „hektischen“ und „kleinkarierten“ Reaktionen von PA-Vertretern. Schließlich hatte Netanjahu wenig Neues gebracht. Jerusalem, Flüchtlinge, Siedlungen, Sicherheitsfragen er hielt sich innerhalb bekannter Grenzen, die niemanden überraschten. So begann das Rätselraten. War es ein vorbereitetes Angriffsmanöver oder ein spontaner Ausbruch?
Enttäuschung nach Obamas Kairo Rede?
Obama spricht zur muslimischen Welt in Kairo; (Sky News)Manche mutmaßten, dass die barsche Reaktion der PA aus der akuten Enttäuschung darüber herrührte, dass der Druck von US-Präsident Barack Obama Netanjahu offensichtlich nicht stark genug in die Ecke getrieben hatte. Sie schwammen auf einer Welle der Siegesgewissheit nach Obamas historischer Rede, vor der muslimischen Welt in Kairo zehn Tage zuvor. Dort hatte er sich so sehr mit dem palästinensischen „Leid” identifiziert und gleichzei tig verlangt, dass jegliche israelische Siedlungsaktivität beendet werden müsste. Ein PA-Vertreter bezeichnete die US-Regierung als „seit Jahrzehnten palästinenserfreundlichste” und erklärte: „Wir können ganz ruhig sein; die Israelis sollten sich Sorgen machen.“
Als Netanjahu sich dann in seiner halbstündigen Rede, die auch noch sehr „zionistisch” war, so geschickt aus seiner Zwangslage befreite, schäumten die Palästinenser vor Wut.
Abkehr von Olmerts Defätismus
Während die meisten Beobachter damit beschäftigt waren, Netanjahus nüchterne Rede mit der schöngeistigen Ansprache Obamas in Kairo zu vergleichen, hätte man sich eigentlich darauf konzentrieren sollen, Netanjahus Text und Ton den Ansprachen seines Vorgängers Ehud Olmert gegenüber zu stellen. Denn hierin liegt der wahre Grund für die palästinensische Bestürzung.
Abbas und Olmert bei Gesprächen (GPO)Sie hatten sich an einen israelischen Regierungschef gewöhnt, der behauptete:„Wir sind des Kämpfens müde. Wir sind des Siegens müde.“ Letzten Sommer hatte Olmert erklärt: „Israels Problem besteht darin, dass es keine Grenzen hat.” Er sagte seinem Kabinett: „Die Vision eines ‚Großisraels’ gehört der Vergangenheit an.“ In einem Abschiedsinterview zum jüdischen Neujahrsfest im letzten Herbst, gestand Olmert: &bdq uo;Wir haben keine andere Wahl, als (aus dem Westjordanland) abzuziehen.“ Schließlich ging er bei einem seiner letzten offiziellen Auftritte vor seinem Rücktritt weiter als jeder israelische Regierungschef vor ihm: Er verlief seinem „Bedauern“ für das „Leiden“ und die Vertreibung palästinensischer Flüchtlinge Ausdruck. Seine Kritiker fassten seine Rhetorik als Defätismus, d.h. als systematische Nährung von Selbstzweifeln an der Richtigkeit der eigenen Position, zusammen.
Erneut historische Chance verpasst
In privaten Gesprächen mit Palästinenserführer Machmoud Abbas hatte Olmert unterdessen 97% des Westjordanlandes für einen Palästinenserstaat angeboten. Berichten zufolge hatte er auch die Tür geöffnet für eine „symbolische“ Rückkehr von tausenden von Flüchtlingen. Seine Vorschläge gingen weit über das großzügige Angebot hinaus, das Ehud Barak den Palästinensern beim gescheiterten Gipfel von Camp David 2000 gemacht hatte. Und wieder sagten die Palästinenser „nein!”.
Doch nun, auf einen Schlag, hatte Netanjahu diesen selbstzweiflerischen Ansatz aus der Welt geschafft, Israels unverhandelbare Positionen erneut bekräftigt, amerikanischen Druck abgewehrt und den Ball auf die palästinensische Seite zurück gespielt. Ihnen wurde sehr schnell klar, dass sie sich nun tatsächlich einem viel härteren Verhandlungspartner gegenüber sahen und dass sie auch in tausend Jahren Netanjahu keinen besseren Deal würden abtrotzen können, als sie ihn von anderen Premierministern hätten bekommen können.
Jetzt liegt es an Abbas und seinen Kollegen, nicht nur zu erklären, warum sie nicht bereit sind, mit Netanjahu zu verhandeln. Sie müssen auch begründen, warum sie immer wieder „nein“ sagen zu einem Palästinenserstaat, wann immer er sich in Reichweite befindet.