Einheit - wo geht die Reise hin?
von Stefan Haas, Pastor der TOS Gemeinde, Leipzig, Mai 2009
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Eindrücke aus dem Trendsetter New York
Vor einiger Zeit buchte ein junger Mann in einem Reisebüro in Deutschland einen Flug ins australische Melbourne. Voll Vorfreude auf Australien bestieg er das Flugzeug. Als er gelandet war, musste er zu seinem Entsetzen feststellen, dass er zwar in Melbourne war – aber nicht in Australien. Das Reisebüro hatte seinen Flug versehentlich in eine gleichnamige Stadt in den USA gebucht.

Könnte es sein, dass es manchen Christen gerade ähnlich mit dem Thema "Einheit" geht? Voll Vorfreude auf das gute Ziel "Einheit" besteigt man den Flieger – und wundert sich, dass er ganz woanders ankommt, als man es eigentlich erwartet hat?

Wohin geht die Reise "Einheit"? Einige biblische Studien kombiniert mit Eindrücken aus dem Trendsetter New York sollen helfen, eine solche Falschbuchung zu verhindern.


Die erste Einheitsbewegung

Das erste Beispiel zum Thema "Einheit" in der Bibel ist sehr ernüchternd – es ist der Turmbau zu Babel. Bereits in 1. Mose 10,8+10 lesen wir eine sehr interessante Einführung:

(8) Kusch aber zeugte den Nimrod. Der war der erste, der Macht gewann auf Erden, (…) (10) Und der Anfang seines Reichs war Babel, Erech, Akkad und Kalne im Lande Schinar.

Hier lesen wir etwas über den Ursprung Babylons: Es wurde gegründet von dem ersten Menschen auf Erden, der Macht gewann. Im Weiteren lesen wir dann in Kapitel 11 die Geschichte des Turmbaus zu Babel:

(1) Es hatte aber alle Welt einerlei Zunge und Sprache. (2) Als sie nun nach Osten zogen, fanden sie eine Ebene im Lande Schinar und wohnten daselbst. (3) Und sie sprachen untereinander: Wohlauf, lasst uns Ziegel streichen und brennen! - und nahmen Ziegel als Stein und Erdharz als Mörtel (4) und sprachen: Wohlauf, lasst uns eine Stadt und einen Turm bauen, dessen Spitze bis an den Himmel reiche, damit wir uns einen Namen machen; denn wir werden sonst zerstreut in alle Länder.

Das ist das erste Vorbild für "Einheit", das die Bibel uns gibt. Es geht gründlich schief. Als der Herr sich diese Einheitsbewegung anschaut, widersteht er ihr, verwirrt ihre Sprache und zerstreut sie in alle Länder.

Analysieren wir einmal die Kennzeichen dieser Geschichte:

• Im Hintergrund stand der Geist Nimrods: Macht.
• Das Ziel war Ehre und Anerkennung ("damit wir uns einen Namen machen"),
• kombiniert mit einem Bedürfnis nach Größe ("dessen Spitze bis an den Himmel reiche").
• Die Mittel dieses Vorhabens waren:
• Menschliche Einheit
• Der Bau einer großen Stadt und eines großen Turmes.


Eine Prostituierte
Mit diesem Turmbau ist die Geschichte Babylons in der Bibel nicht zu Ende: Unter dem Begriff "Hure Babylon" begegnet uns durch die Bibel eines der finstersten dämonischen Fürstentümer, das erst in Offenbarung 17-19 endgültig besiegt wird. Offensichtlich muss dem Vorhaben dieser Einheitsbewegung etwas vom Charakter einer Prostituierten angehaftet haben. Was sind Kennzeichen einer Prostituierten? Eine Prostituierte will vielen gefallen und verkauft sich selbst um des Vorteils willen. Der Preis dafür ist Ehrlichkeit. Vermutlich kam beim Turmbau zu Babel erstmalig so etwas wie politisches Taktieren auf: Man bildete Koalitionen, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Trennendes opferte man dafür.


New York

Betrachtet man die Stadt New York heute, so gibt es erstaunliche Parallelen: Man findet eine Skyline von Wolkenkratzern vor wie kaum in einer anderen Stadt – und mit dem Hauptquartier der UNO (der "Vereinten Nationen") eine weltumspannende Einheitsbewegung.

Schaut man sich die Wolkenkratzer (englisch: Skyscraper = Himmelskratzer) an, so kommt unweigerlich der Gedanke: Es hat sich seit dem Turmbau zu Babel doch nichts geändert. Haben Menschen ein Bedürfnis nach Größe, so drückt sich das immer wieder in großen Gebäuden aus.

Die neue Freiheit
Ausdruck dieses Geistes der "NeuenWelt" wurde u.a. die Freiheitsstatue: Auf ihrer Fackel trägt sie das Licht der Aufklärung und auf dem Sockel der Statue steht ihre Einladung: "Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid – ich will euch Freiheit geben!" Zu welcher Freiheit lädt die nette Dame im New Yorker Hafen ein? Es ist die Abkehr und Freiheit von der religiösen Engstirnigkeit Europas, wo selbst kleinste dogmatische Differenzen mit Verdammung und Scheiterhaufen über Jahrhunderte hinweg blutig ausgefochten wurden. Was aus einer verletzten Gegenreaktion heraus in der Gründungsphase der neu entstehenden Supermacht USA in die Fundamente gegossen wurde, entpuppte sich als Nährboden für die weitere Entwicklung.


Die UNO

Im Umfeld der zunächst politisch ausgerichteten UNO entstanden dann ab Mitte des 20. Jahrhunderts immer mehr Bewegungen, die ein weitergehendes Ziel verfolgten: Frieden durch Einheit der Religionen. Einige Beispiele aus einer Fülle von Namen: Robert Müller. Als Assistent der drei UNO-Generalsekretäre U Thant, Kurt Waldheim und Javier Perez de Cuellar hatte Robert Müller seit 1948 großen Einfluss auf die neu entstandene UNO. Er bekam den Ruf des "Philosophen" bzw.
des "Propheten der Hoffnung" der UNO. In einem offiziellen Memorandum hat er seine Vision so ausgedrückt: "Wir müssen auf dem schnellsten Wege eine Weltregierung, eine Weltreligion und einen Weltführer umsetzen". Heute ist er emeritierter Direktor der von der UNO gegründeten "Universität für den Frieden" in Costa Rica. Er beschreibt auf seiner Webseite seine Vision für das Jahr 3000. Ein Teil seiner Vision besteht darin, "dass alle Religionen in einer globalen Spiritualität eins werden".

"Spiritual United Nations"
1960 hatte die Hausfrau Juliet Hollister die Vision durch eine "interfaith movement" ("interreligiöse Bewegung"), die Probleme zwischen den Religionen zu lösen. Sie kam in Kontakt mit Mrs. Roosevelt, der Ehefrau des US-Präsidenten Theodor Roosevelt, die dann eine begeisterte Anhängerin dieser Idee wurde. So gründete Juliet Hollister 1960 den "Temple of Understanding", der erst einen beratenden und dann einen festen Sitz in der UNO bekam. Mrs. Roosevelt schrieb dazu: "Mag dieser dringend benötigte 'Tempel des Verstehens' bald in Existenz kommen, weil unsere Welt ganz sicher die Inspiration und Leiterschaft von solch geistlich vereinten Nationen ('Spiritual United Nations') braucht!" Sie fand viele prominente Freunde.

Im selben Zeitraum entstanden verschiedene Bewegungen mit demselben Ziel, so z.B. die "World Conference of Religions and Peace" (auch mit Sitz in der UNO). Inhaltlich könnte man ihr Motto so auf den Punkt bringen: "Glaube trennt – Menschlichkeit eint". In der Regel wird Johannes 17,21 zitiert ("auf dass sie alle eins seien") und auf die "Goldene Regel" (Matthäus 7,12) als gemeinsames Fundament aller Religionen hingewiesen.


Auf dem Weg zur einen Welt-Religion




Wie weit diese geistliche Einheitsbewegung geht, sieht man am Andachtsraum in der UNO, in dem in der Mitte des Raumes ein "Opferstein" für alle Religionen steht.

Fast noch deutlicher wird es im "Church Center for the United Nations", das direkt gegenüber der UNO liegt (mit der bezeichnenden Adresse UNO-Plaza 777). Das Gebäude gehört einer traditionellen Freikirche. Im Gottesdienstraum im Erdgeschoss hängen große Flaggen mit Symbolen aller fünf Weltreligionen gleichberechtigt nebeneinander.

Neben den Quäkern, der "World Conference of Religions and Peace"

(s.o.), dem ökumenischen Rat der Kirchen und vielen anderen hat auch Esperanto hier ein Büro (eine Bewegung, die die Sprachverwirrung nach dem Turmbau zu Babel rückgängig machen und eine neue Welt-Einheits-Sprache entwickeln möchte).

Betrachtet man diese Mega-Trends, dann stellt sich die Frage: Wo stehen wir? In Deutschland gab es in den letzten Jahren einen innerkirchlichen Aufbruch zur Einheit: Die Kongresse zur Einheit Stuttgart I+II haben ihre Spuren hinterlassen. Manche waren wie verzaubert von den neuen Möglichkeiten der Einheit zwischen charismatischen und evangelikalen, evangelischen und katholischen Christen.

Kann es sein, dass wir dadurch auf ein ähnliches Gleis wie der Mega-Trend geraten sind, nach dem Motto: "Glaube trennt – Menschlichkeit eint"?
Wesentlich beeinflusst wurden beide Kongresse von der Fokolar-Bewegung unter der Leitung ihrer charismatischen Gründerin Chiara Lubich. Doch was viele als innerkirchliche Reformbewegung eingestuft haben, stellt sich bei genauerem Hinsehen als Schnittstelle zwischen innerkirchlicher Einheits- und globaler Eine-Welt-Religions-Bewegung heraus. Durch ihre Unterorganisation "New Humanity" ist auch die Fokolar-Bewegung mit einem festen Sitz in der UNO vertreten, in ihrem Gedankengut kaum zu
unterscheiden von den anderen oben beschriebenen Organisationen. Der Name der Fokolar-Bewegung kommt aus dem Italienischen: Es bezeichnet das "Lagerfeuer", an dem man sich wärmt. Gemeint ist aber nicht das Feuer des Heiligen Geistes, sondern die Wärme der Mitmenschlichkeit ("New Humanity"). Emotional empfinden wir in Europa auch innerkirchlich eine neue Wärme der Mitmenschlichkeit nach den konfessionellen Grabenkämpfen vergangener Jahrhunderte als äußerst wohltuend. Kann es sein, dass wir dadurch auf ein ähnliches Gleis wie der Mega-Trend geraten sind, nach dem Motto: "Glaube trennt – Menschlichkeit eint"? Auch wenn wenige Charismatiker für eine Welt-Einheits-Religion eintreten würden, stellt sich trotzdem die Frage: Was unterscheidet uns davon? In welchem Geist streben wir Einheit an?


Johannes 17
Was lehrt das Wort Gottes über Einheit? Studieren wir einmal das Umfeld des vielzitierten Johannes 17,21 "auf dass sie alle eins seien". Über wen wird das gesagt? Nur wenige Verse vorher erfahren wir es – im Vers 14 sagt Jesus: "Ich habe ihnen dein Wort gegeben, und die Welt hat sie gehasst; denn sie sind nicht von der Welt, wie auch ich nicht von der Welt bin."

Es wird deutlich: In Johannes 17,21 betet Jesus also für Einheit unter denjenigen, die von der Welt gehasst werden, weil sie nicht von der Welt sind. Nehmen wir noch Jakobus 4,4 dazu, dann steht Jesus vollends als Spielverderber des Welt-Einheits-Festes da: "Ihr Abtrünnigen, wisst ihr nicht, dass Freundschaft mit der Welt Feindschaft mit Gott ist? Wer der Welt Freund sein will, der wird Gottes Feind sein."

Kann es sein, dass man Grenzen aus den Augen verliert, wenn man auf der Schiene mitmenschlicher Wärme Einheit bauen will?


Das Ärgernis des Kreuzes
In 1. Korinther 1,18 heißt es: "Denn das Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren werden; uns aber, die wir selig werden, ist's eine Gotteskraft."

Und in Vers 23: "Wir aber predigen den gekreuzigten Christus, den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit;...".

Das Kreuz Jesu ist ein Ärgernis, weil es ein Zeugnis dafür ist, dass wir Menschen nicht gut, sondern böse sind. Es spricht davon, dass wir Vergebung für unsere Schuld brauchen und Buße tun müssen. Und es weist darauf hin, dass dieses Kreuz der einzige Weg zu Gott ist.

Das ist ein Ärgernis auf dem Weg zur Welt-Einheit. Wer andern gefallen will, der muss dieses Ärgernis des Kreuzes aus dem Weg räumen – zumindest indem er nur noch sehr diplomatisch oder gar nicht mehr davon spricht.


Einheit nach Gottes Vorstellung
Beobachtet man die Mega-Trends zur Einheit, so wird man wachsam und stellt fest: Offenbar machen sehr verborgene Mechanismen, Motivationen und Denkweisen den Unterschied. Offenbar ist die Frage nach dem Geist hinter einer Einheitsbewegung entscheidend.

Was sind die Eckpunkte einer geistlichen Einheit?
Heiligung und Wahrheit - schauen wir uns noch einmal Johannes 17 an. In Johannes 17,17 betet Jesus: "Heilige sie in der Wahrheit; dein Wort ist die Wahrheit." Offensichtlich geht die Einheit, für die Jesus in Johannes 17,21 betet, Hand in Hand mit Heiligung und Wahrheit. Sünde und Schuld muss also bei dieser Einheit als Thema nicht ausgeklammert werden. Und es ist auch keine Einheit auf Kosten von Ehrlichkeit, bei der man politischdiplomatisch taktieren muss. Es ist eine Einheit, die begleitet ist von Heiligung und Wahrheit.

Die Quelle: Herrlichkeit Gottes – in Johannes 17,22 sagt Jesus: "Und ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast, damit sie eins seien, wie wir eins sind." Einheit nach Gottes Vorstellung entsteht durch die Herrlichkeit Gottes, nicht durch mitmenschliche Wärme. Das bedeutet: Je näher zwei Christen der Herrlichkeit Gottes kommen, umso näher kommen sie einander. Der gemeinsame Treffpunkt ist die Herrlichkeit Gottes.

Die Braut
Zu Anfang haben wir uns mit den Kennzeichen einer Prostituierten beschäftigt. Als die "große Hure Babylon" in Offenbarung 19 dann endlich besiegt ist, erscheint eine weitere Frau mit einem komplett anderen Charakter: Die Braut. Offenbarung 19,7+8: "Lasst uns freuen und fröhlich sein und ihm die Ehre geben; denn die Hochzeit des Lammes ist gekommen, und seine Braut hat sich bereitet. (8) Und es wurde ihr gegeben, sich anzutun mit schönem reinem Leinen. Das Leinen aber ist die Gerechtigkeit der Heiligen."

Was sind die Kennzeichen einer Braut? Sie liebt nur einen und will nur einem gefallen. Sie liebt ihn ehrlich und sucht dabei nicht ihren Vorteil. Sie verkauft sich nicht an viele um ihres Vorteils willen, sondern sie gibt sich an ihren Bräutigam hin aus Liebe. Diese Braut sucht nicht ihre Ehre und Macht, sondern legt ihre Kronen nieder vor Jesus und sucht seine Ehre. Die Braut Jesu ist aus Liebe zu ihm bereit, zum Ärgernis und zur Torheit des Kreuzes zu stehen. Auf dem Weg zur Einheit müssen wir uns einige Fragen stellen lassen:

• Wollen wir anderen gefallen?
• Sind wir müde, in die Nische der "Fundamentalisten" gestellt zu werden und hätten auch gerne einmal gesellschaftliche Anerkennung?
• Motiviert uns der Wunsch nach Größe, größere Einheit zu suchen?
• Sind wir bereit, aus Sehnsucht nach Harmonie und mitmenschlicher Wärme und Anerkennung das Ärgernis des Kreuzes beiseite zu räumen?
• Sind wir bereit, auf Kosten von Wahrheit und Heiligung politischdiplomatische Koalitionen zu bilden, wenn es uns Vorteile bringt?
• Und wir Pastoren müssen uns die spezielle Frage gefallen lassen: Reizt uns eine größere Einheit, weil sie einen größeren Einflussbereich darstellt?

Wer sich diesen Fragen ehrlich stellt, der verhindert eine Falschbuchung.

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