Die konvertierte "HaTikava" -
oder
was ein christliches Lied an
jüdischer Befindlichkeit auslöst
von Uwe Seppmann, Loiz, Mecklenburg-Vorpommern,
November-2010-Ausgabe von Israel Heute


"Warum sollen die Atheisten die besten Melodien haben", lautete in den 70er Jahren auf der Reeperbahn die Devise der Heilsarmee. Und man schuf einen christlichen Text, der zur Melodie der "Internationalen" passte: "Völker, höret die Gnade, sprechet jetzt: Herr, verzeih..." Das brachte Christen aller Couleur zum Schmunzeln. Aber schon lange vor der Heilsarmee war es kein geringerer als Martin Luther, der bekannten Melodien seiner Zeit christliche Texte unterlegte.

Ein Lied unserer Tage ist gerade in unseren Kreisen der Israel verbundenen Christen sehr beliebt: "Zünde an dein Feuer, Herr, im Herzen mir, hell mög es brennen, lieber Heiland dir." Die drei Strophen dieses Liedes von B. Schmidt-Heller, verlegt im Hänssler-Verlag, Neuhausen-Stuttgart, sind eine wunderbare Dichtung und vermitteln als Gebet die Geborgenheit beim Heiland.

Doch das Lied weckt bei Überlebenden des Holocausts eine eigenartige Befindlichkeit. Die Weise ist nämlich die "HaTikva", die heutige Nationalhymne Israels. Mit den Worten "Kol od ba l'waw" - "Solange im Herzen darinnen ein jüdisches Fühlen noch taut...." Auf die Melodie von Menachem Imber drückten die Internierten und dem Tod entgegen Gehenden ihre "Dennoch-Hoffnung" aus.

Nur wenigen Juden war es während der Nazi-Diktatur vergönnt, den Unterschied zwischen Taufschein-Christen und Glaubens-Christen kennenzulernen. In ihren Augen war es das christliche Deutschland, das ihre Ausrottung beschloss und ohne Erbarmen umsetzte.

Nun sind es wieder Christen, die ihnen ihre "Tikva", was "Hoffnung" bedeutet, wegnehmen, für sich umdeuten. Auf eine Melodie, die wie keine andere jüdisches Eigentum ist, dichten sie einen eigenen Text. Es ist nur zu verständlich, dass darin ein Versuch gesehen wird, zu missionieren. Wenn der Text dann noch Wörter wie "anzünden", "Feuer", und "brennen" enthält, drängt sich bei vielen Juden die Assoziation an die Öfen von Auschwitz auf.

Das Lied mag einen guten Platz in den Gemeinden haben, doch in der Begegnung zwischen Juden und Christen erscheint es mir unangebracht. Aus Liebe zum jüdischen Volk sollte daher bei solchen Gelegenheiten das Singen von "zünde an dein Feuer" unterbleiben, besonders das öffentliche Singen in Israel verbietet sich.

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