Luís Palau:
Das Ende falscher Höflichkeit
von Evangelische Nachrichtenagentur idea, 22.06.2007


Bei Mission dachten noch vor 50 Jahren die meisten Menschen Europas an die Verkündigung des Evangeliums in Afrika oder Asien. Inzwischen hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass auch das "christliche Abendland" Missionsgebiet ist. Die Weitergabe des Glaubens ist nicht nur Sache von Spezialisten - jeder Christ muss sich fragen, wie er seinen Nächsten mit dem Evangelium erreichen kann, betont der Evangelist Luís Palau (USA):

Es ist nicht leicht, seinen Glauben mitzuteilen. Ich weiß das - als junger Mann war ich überzeugt, die Gabe der Evangelisation nicht zu besitzen. Das war offensichtlich. Egal wie ich mich anstrengte, keiner kam zum Glauben an Jesus Christus. Ich war inspiriert von dem, was ich über Billy Grahams wirkungsvollen Evangelisationsdienst las und hörte, aber ich wusste, dass ich diese Gaben nicht hatte.

Gott eine Frist gesetzt
Ich erinnere mich, wie ich Gott eine Frist setzte: Wenn ich bis zum Jahresende keinen Bekehrten sehe, quittiere ich meinen Dienst. Das Ende des Jahres kam - aber keine Bekehrten. Ich hatte Klarheit: Nun durfte ich sicher sein, dass ich die Gabe der Evangelisation nicht besitze. Das neue Jahr war erst etwa vier Tage alt, da besuchte ich in unserer kleinen Gemeinde in Argentinien einen Hauskreis. Mir war eigentlich gar nicht danach, aber ich ging trotzdem - aus Loyalität gegenüber den Gemeindeältesten. Der Typ, der den Hauskreis hätte vorbereiten sollen, erschien nicht. Also sagte der Hausvater: "Luís, Du musst etwas sagen." Ich war völlig unvorbereitet. Ich beschäftigte mich aber gerade mit einem Buch von Billy Graham über die Seligpreisungen. Also las ich Matthäus 5,1-12 und wiederholte einfach, woran ich mich aus Grahams Buch erinnerte. Als ich das Wort "Selig sind, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen" auslegte, stand plötzlich eine Frau auf. Sie begann zu weinen: "Mein Herz ist nicht rein. Wie kann ich Gott sehen? Erkläre mir doch einer, wie ich ein reines Herz bekommen kann." Ich weiß nicht mehr, wie die Frau hieß, aber ihre Worte werde ich nie vergessen: "Erkläre mir doch einer, wie ich ein reines Herz bekommen kann." Gemeinsam lasen wir in der Bibel, dass das Blut Jesu, des Gottessohns, uns von jeder Sünde reinigt (1. Johannesbrief 1,7). Bevor der Abend zu Ende war, hatte diese Frau Frieden mit Gott gefunden.

Es gibt nichts Aufregenderes
Das Aufregendste, was du jemals tun kannst, ist, jemand für Christus zu gewinnen. Heute allerdings haben viele Christen - in dem Bemühen, "kultiviert" und "zeitgemäß" zu sein - mit dem Versuch aufgehört, andere von der Nachfolge Christi zu überzeugen. Es gibt eine unterschwellige Vorstellung in unserer Gesellschaft, dass nette Leute einfach nicht umhergehen, um andere Leute davon zu überzeugen, etwas zu tun. Weder wollen wir jemanden verletzen, noch extrem wirken. Also tun wir nichts.

Habe mich schuldig gemacht
Ich habe mich ebenfalls in dieser Hinsicht schuldig gemacht. Als ich in Mexiko-Stadt wohnte, hatte ich einen Nachbarn, der beim Fernsehen arbeitete. Ab und zu haben wir uns unterhalten, und er erwähnte sogar, dass er gelegentlich unser christliches Radioprogramm hört. Doch ich sprach nicht mit ihm über das Evangelium. Letztlich, dachte ich, scheint er völlig immun gegen die Probleme des Lebens zu sein. Schließlich veränderte sich mein Nachbar aber. Die Lebensfreude schien sein Gesicht zu verlassen. Er und seine Frau begannen, getrennt zur Arbeit zu fahren. Ich konnte sehen, wie ihre Ehe herunterkam, und ich empfand die Notwendigkeit, mit ihm zu sprechen. Doch ich wollte mich nicht in sein Leben einmischen. Also kümmerte ich mich um meine Arbeit und wendete mich ab, um mich auf eine Evangelisation in Peru zu konzentrieren. Letztlich blieb ich so doch höflich. Als ich aus Peru zurückkam, erfuhr ich, dass mein Nachbar sich umgebracht hatte. Mein Herz zerbrach. Ich wusste, ich hätte zu ihm gehen und ihn überzeugen sollen, dass er umkehrt und Christus nachfolgt. Doch aus falscher Höflichkeit, weil ich einer sozialen Norm folgte, habe ich es nicht getan. Es ist sehr bequem Entschuldigungen zu finden, um andere nicht von der Nachfolge Christi zu überzeugen. Vielleicht sagen wir, wir wollen nicht anmaßend oder offensiv sein. Vielleicht denken wir, wir können unmöglich jemandem Zeugnis geben, weil er oder sie dann aggressiv wird. Über die Jahre habe ich allerdings gelernt, dass einige der Leute, die ich für am verschlossensten gegenüber dem Evangelium gehalten hatte, die offensten waren. Auch wenn sie es nach außen hin vielleicht fürchten - in ihrem Herzen begrüßen sie die christliche Botschaft.

Gott hat immer einen Plan
Warum schämen wir uns des Evangeliums? Es ist die Kraft Gottes zur Erlösung für jeden, der daran glaubt (Römer 1,16). Es verändert Leben hier und jetzt - und für die Ewigkeit. Die holländische Evangelistin Corrie ten Boom hatte eine gottgegebene Sehnsucht danach, andere für Christus zu gewinnen. In einem ihrer Gedichte heißt es: "Wenn ich jene schöne Stadt erreiche / und alle die Heiligen um mich erscheinen / dann hoffe ich, dass einer mir sagen wird: / 'Du warst es, die mich hierher eingeladen hat.'." Gleichgültig welchen Platz wir in der Gemeinde haben, lasst uns aktiv und unter Gebet andere in Gottes Reich einladen. Schließlich hat Gott nicht einen Plan A, einen Plan B und einen Plan C, um diese Welt zu evangelisieren. Er hat nur einen Plan: Dich und mich.


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