Das Kind und der Drache

Offenbarung 12
von Bruni Wolters, Vineyard-Harburg, Februar 2006

Bibellese:
1Am Himmel sah man jetzt eine gewaltige Erscheinung: eine Frau, die mit der Sonne bekleidet war und den Mond unter ihren Füßen hatte. Auf dem Kopf trug sie eine Krone aus zwölf Sternen. 2Die Geburt ihres Kindes stand unmittelbar bevor, und sie schrie, weil die Geburtswehen sie quälten. 3Dann gab es noch eine Erscheinung am Himmel: Plötzlich sah ich einen großen, feuerroten Drachen mit sieben Köpfen und sieben Kronen; außerdem hatte er zehn Hörner. 4Mit seinem Schwanz fegte er ein Drittel aller Sterne vom Himmel und schleuderte sie auf die Erde. Der Drache stellte sich vor die Frau; denn er wollte ihr Kind verschlingen, sobald es geboren war. 5Die Frau brachte einen Sohn zur Welt, der einmal mit eiserner Hand über die Völker der Erde herrschen sollte. Aber das Kind wurde gerettet und sofort zu Gott vor seinen Thron gebracht. 6Die Frau aber floh in die Wüste, wo Gott selbst einen Zufluchtsort für sie vorbereitet hatte. 1260 Tage sollte sie dort versorgt werden. 7Dann brach im Himmel ein Kampf aus: Michael und seine Engel griffen den Drachen an. Der Drache schlug mit seinem Heer von Engeln zurück; 8doch er verlor den Kampf und durfte nicht länger im Himmel bleiben. 9Der große Drache - es ist niemand anders als der Teufel oder Satan, der als listige Schlange die ganze Welt zum Bösen verführt -, er wurde mit allen seinen Engeln aus dem Himmel auf die Erde hinuntergestürzt. 10Jetzt hörte ich eine gewaltige Stimme im Himmel rufen: «Nun ist der Sieg Gottes endlich sichtbar, seine Stärke und seine Herrschaft sind endgültig! Alle Macht liegt in den Händen seines Sohnes Jesus Christus. Denn er ist endgültig gestürzt, der Ankläger, der unsere Brüder Tag und Nacht vor Gott beschuldigte. 11Sie haben ihn besiegt durch das Blut des Lammes und durch die Wahrheit des Wortes Gottes, die sie bezeugt haben. Dafür haben sie ihr Leben eingesetzt und den Tod nicht gefürchtet. 12Darum freut euch nun, ihr Himmel und alle, die ihr darin wohnt! Aber weh euch, ihr Menschen auf der Erde.1 Der Satan wurde auf euch losgelassen. Er ist voller Wut und Zorn; denn er weiß, daß er besiegt ist und ihm nicht mehr viel Zeit bleibt.» 13Als der Drache merkte, daß er auf der Erde war, verfolgte er die Frau, die den Sohn geboren hatte. 14Doch Gott gab der Frau die starken Flügel eines Adlers. So konnte sie an ihren Zufluchtsort in der Wüste fliehen. Dreieinhalb Jahre wurde sie hier versorgt und war vor den Angriffen des Drachens, der bösen Schlange, sicher. 15Doch die Bestie gab nicht auf. Eine gewaltige Wasserflut schoß aus ihrem Rachen, und die Frau geriet in große Gefahr. 16Aber die Erde half der Frau. Sie öffnete sich und verschlang das Wasser, das der Drache ausspuckte. 17Darüber wurde der Drache so wütend, daß er jetzt alle bekämpfte, die zu dieser Frau gehören. 2 Das sind die Menschen, die nach Gottes Geboten leben und sich zu Jesus bekennen. 18Und der Drache begab sich an den Strand des Meeres.

1 Wörtlich: Wehe der Erde und dem Meer!

2 Wörtlich: Und der Drache ergrimmte gegen die Frau und ging hin, um mit den übrigen ihres Samens Krieg zu führen.


Bilder haben für uns etwas Eindrückliches. Wir denken in Bildern, träumen in Bildern; Bilder bleiben länger und tiefer im Gedächtnis als Worte. Die Bibel nutzt diese Wirkung, sie ist voll von Bildern. Bilder können uns Angst machen, wenn wir ihre Bedeutung nicht verstehen. Bilder sprechen nicht immer eine eindeutige Sprache, sie müssen erklärt, übersetzt werden. So auch die Bilder, die uns in der Offenbarung begegnen. Wir dürfen sie nicht so ansehen, als wären sie die Realität, sondern wir müssen immer wieder fragen: was sagen sie aus? Was bedeuten diese Bilder?

Ich möchte mit dem Drachen beginnen, denn der Text selbst erklärt die Symbolik. Beim Drachen handelt es sich um den Teufel, der auch Satan genannt wird. Er ist groß. Er ist größer als eine Schlange, ein Ungeheuer. Er ist feuerrot. Rot ist die Farbe des Zorns und des Blutes. Diese Farbe sagt etwas über sein Wesen, seinen Charakter aus. Er ist mörderisch, zerstörerisch, grausam.

Das ist ein völlig anderes Bild, als Menschen normalerweise vom ihm haben. Ich habe mit vielen Leuten gesprochen, die Jesus nicht kennen. Sie glauben irgendwie an einen Gott, aber dass man heute noch an den Teufel glauben kann, finden sie mittelalterlich. Das passt nicht in unsere moderne Zeit. Da hat der Drache gute Arbeit geleistet. Er täuscht die Menschen. Er bringt sie entweder dazu, sich vor ihm zu fürchten und sich übermäßig mit ihm zu beschäftigen oder er bringt sie dazu, zu glauben, dass er gar nicht existiert.

Wie geht die Beschreibung weiter? Er hat sieben Köpfe. Er kann sich in jede Richtung drehen. Ihm entgeht nichts, niemand ist vor ihm sicher. Der Kopf ist ferner der Sitz des Denkens. Er ist mit einer brillanten Intelligenz ausgestattet. Man könnte sagen: er hat 10 Doktortitel und zwar im Lügen, Täuschen und Betrügen.

Er hat zehn Hörner. Horn ist ein altes Symbol der Kraft und der Macht. Er ist sehr mächtig. Er hat sieben Kronen auf seinen Köpfen: Er ist ein Herrscher, der Fürst dieser Welt. Er regiert, er macht Pläne und sein Einfluss reicht bis in die politische Welt hinein.

Sein Schwanz fegte ein Drittel der Sterne vom Himmel. Er bringt die göttliche Ordnung, die Schöpfungsordnung durcheinander, wie viel mehr die menschliche? Überall durchbricht er Ordnungen, überall zerstört er, überall richtet er Chaos an. Er will, dass die Menschen im Dunkeln tappen. Sterne, Lichter am Himmel werden auch interpretiert als die Lehrer, die geistlichen Leiter, z.B. die Pharisäer zur Zeit Jesu und die Priester, Pastoren und Prediger in unserer Zeit. Damals wie heute gibt es geistliche Leiter, die keine sind. Die den Menschen nicht Orientierung bringen, den richtigen Weg zu Gott weisen, sondern die den Menschen den Weg zu Gott verbauen durch falsche Lehre.

Der Drache freut sich über eine solche geistliche Dunkelheit; er hasst das Licht und ganz besonders das Licht der Welt. Doch der Drache fürchtet sich. Er fürchtet sich vor dem Kind, das geboren werden soll. Er steht der Frau gegenüber, doch er hat es nicht auf sie abgesehen. Er tut ihr nichts. Er wartet auf die Geburt des Kindes.

Es gab schon einmal eine Szene in der Bibel, wo die Schlange einer Frau gegenübersteht, ganz am Anfang im 1. Buch Mose. Die Schlange untergräbt das Vertrauen der Menschen zu Gott und verführt sie zum Ungehorsam. Damals mussten die Menschen das Paradies verlassen. Ihre Gemeinschaft mit Gott war zerstört. Die Schlange bekam eine Prophetie. Eines Tages wird ein Kind geboren werden, der Retter der ganzen Welt und dieses Kind wird der Schlange den Kopf zertreten, d.h. dieses Kind wird sie vernichten, dieses Kind bedeutet Tod.

Der Text sagt ganz klar, dass es sich um Jesus handelt, der hier geboren wird. Vers 5: Die Frau brachte einen Sohn zur Welt, der einmal mit eiserner Hand über die Völker der Welt herrschen sollte.

Das Kind wird geboren und der Drache versucht sofort, es umzubringen. Erinnert euch an den Kindermord in Bethlehem. Herodes hatte Angst um seinen Thron, aber wusste er, was sich in der unsichtbaren Welt abspielte? Kannte er den wahren Hintergrund der Weltgeschichte, den Kampf des Drachen gegen den Messias? Den Kampf Satans gegen Gott? Wohl kaum.

Der zweite Versuch: Nachdem Jesus getauft wurde und bevor Er seinen öffentlichen Dienst antrat, wurde Er von Satan in der Wüste geführt und auf die Probe gestellt. Satan zeigte Ihm alle Reiche der Welt – was voraussetzt, dass er sie auch besitzt – und sagte: das alles will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich anbetest. Jesus wusste um Seine Berufung, eines Tages König zu sein, aber Er widerstand der Versuchung, den schnellen, leichten Weg zu gehen.

Es gibt Christen, die bekommen eine Berufung von Gott oder ein prophetisches Wort darüber, wie Gott sie in seinem Reich gebrauchen möchte und dann erwarten sie, dass dies möglichst bald auch eintritt. Sie sind völlig verwirrt und überrascht, wenn es Schwierigkeiten und Probleme gibt und zweifeln an Gottes Zusage. Was passiert hier? Sie gehen den Einflüsterungen Satans auf den Leim, dass alles ganz schnell, ganz leicht und problemlos abläuft, wenn Gott jemanden in den Dienst ruft.

Wir müssen uns nur das Leben Jesu anschauen, um die Lüge zu entlarven. Was hat Ihn seine Berufung gekostet? Blut, Schweiß und Tränen. Das war kein leichter Weg, es war kein Selbstgänger. Es ist die Realität.

Und dann kam der fieseste Trick, wie ich finde, die gemeinste Art der Versuchung überhaupt. Die Versuchung in Gestalt eines sehr guten Freundes, Petrus. Ein Mann, der Jesus wirklich liebt und nur das Beste für Ihn wünscht. Jesus offenbart Seinen Jüngern, dass Er vorhat, für die Menschen zu sterben. Petrus ist entsetzt und ruft aus: bloß nicht! Doch Jesus durchschaut diesen Angriff sofort und antwortet nicht: Petrus, du bist auf dem Holzweg. Nein, Jesus antwortet ungewöhnlich scharf: weiche von mir – Satan!

Und dann bringt Satan Jesus wirklich um. Die Bibel macht sehr klar, dass das Kreuz auch ein Werk Satans war. Z.B. wird bei Johannes gesagt, dass Judas wegging, um Jesus zu verraten und dass der Satan in ihn fuhr. Das war ein erfolgreiches Attentat auf den Sohn Gottes. Satan hat Jesus am Kreuz umgebracht und hielt dies für seinen größten Sieg. Doch Gott hatte die Rettung der Menschen durch den Tod Seines Sohnes schon vor Erschaffung der Welt geplant und so wurde aus dem Scheinsieg des Drachens dessen größte Niederlage.

Das Kind wurde zu Gott und zu Seinem Thron entrückt. Entrückung bedeutet nicht einfach nur: jemand wird von einem Ort in Sekunden an einen anderen Ort transportiert (für Sciene Fiction Fans: weggebeamt!), sondern mit Entrückung ist auch eine Erhöhung verbunden. Er bekommt eine höhere Position, mehr Macht, mehr Einfluss. Jesus wird König aller Könige und der Herr aller Herren, Herrscher über die ganze Welt.

Spätestens hier wird deutlich, dass die Ereignisse, die Johannes hier sieht, der Vergangenheit angehören. Es ist kein Blick in die Zukunft, sondern eine bildhafte Erklärung dessen, was über ein halbes Jahrhundert zuvor passiert war: die Geburt Jesu, Sein Tod, Seine Auferstehung und Seine Himmelfahrt. Ist das denn nötig, den Christen etwas zu zeigen, was sie doch schon längst wissen? Nun, offensichtlich ist Gott der Meinung, dass es nötig ist. Wahrscheinlich müssen wir immer wieder neu erinnert werden, um zu verstehen und diese Realität auch im persönlichen Leben umzusetzen.

Nun kommt eine interessante Frage: wer ist die Frau? Eine Frau, mit der Sonne bekleidet und der Mond unter ihren Füßen, auf dem Kopf trug sie eine Krone aus zwölf Sternen. An dieser Frau ist nichts Dunkles. Sie ist strahlend hell, sie ist herrlich, sie ist schön. Die zwölf Sterne sind die zwölf Stämme Israels. Die Frau steht symbolisch für das alttestamentliche Volk Gottes, das Volk Israel. Jesus wurde aus diesem Volk heraus geboren und von den Geburtsschmerzen lesen wir häufiger (Jesaja, Jeremia, Micha). Die Sonne ist das Bild für die Herrlichkeit Gottes, gleichzeitig war die Sonne zur Zeit von Johannes das Symbol für den Sieg nach einem Kampf.

Jesus ist als Sieger hervorgegangen aus dem Kampf gegen die Sünde, gegen den Tod und gegen Satan. Seine "Braut", die neutestamentliche Gemeinde, hat Anteil an Seinem Sieg. Sie ist eingehüllt in Sein Licht, in Seine Herrlichkeit und mit hineingenommen in Seinen Sieg. Die Frau hat also in ihrer Symbolik eine Doppelbedeutung, sie ist gleichzeitig Bild für das alttestamentliche Volk Gottes und für die neutestamentliche Gemeinde Jesu. Das ist nur in der Symbolik zu erfassen und mit Logik nicht zu erklären.

Der Mond unter ihren Füßen. Welches Bild vermittelt uns der Mond? Der Mond hat kein eigenes Licht, er leuchtet schwach und auch nur, weil er von der Sonne angestrahlt wird. Er ist kalt, er bringt kein Leben hervor. Dem Schöpfer (Sonne) steht die Schöpfung (Mond) gegenüber, darin ist alles Menschliche eingeschlossen, menschliches Gedankengut, sündhaftes Verhalten, Unvollkommenheit.

Der Mond befindet sich unter den Füßen der Frau. Wer in einem Zweikampf siegte, stellte seinen Fuß als Zeichen des Sieges auf den Nacken seines Gegners. Ein klares Bild für Sieger und Unterlegenen. Wie können wir das Bild übertragen? Jesu Sieg am Kreuz versetzt Seine Gemeinde in eine Siegesposition über die menschliche Sündhaftigkeit.

Nach Ostern entbrennt ein Kampf im Himmel: Michael mit seinen Engeln gegen den Drachen mit seinem Heer. Hier könnte der Eindruck entstehen, dass die Engel die entscheidende Schlacht gegen Satan schlagen. Das stimmt natürlich nicht. Jesus allein hat den Sieg errungen durch Sein Sterben am Kreuz. Man könnte die Engel hier als Gerichtsdiener bezeichnen, die den Verurteilten aus dem Gerichtssaal entfernen. Satan verliert seinen Platz im Himmel und wird auf die Erde gestürzt. Das ist gleichzeitig eine Degradierung, er verliert an Einfluss.

Satan wurde auch der "Ankläger der Brüder" genannt. Er war nicht nur in der Lage, Menschen zum Bösen zu verführen, sondern ging dann zu Gott, um diese Leute, die er vorher verführt hatte, anzuklagen. Erinnert euch an Hiob. Es gab da ein Gespräch zwischen Gott und Satan, bevor Hiob all die schrecklichen Dinge erleiden musste. Diese Zeiten sind nun endgültig vorbei. Satan kann die Menschen, die zu Jesus gehören, nicht mehr anklagen. Gott hört nicht mehr zu. Es gilt, was in Römer 8 steht: Wer könnte es wagen, die von Gott Auserwählten anzuklagen? Niemand. Weder Leben noch Tod, weder Engel noch Dämonen … können uns von der Liebe Gottes trennen.

Der Drache findet sich auf der Erde wieder und orientiert sich neu. Er kann Jesus nicht mehr schaden, also richtet er seinen Zorn gegen die Frau, die Gemeinde Jesu. Seine Wut ist grenzenlos, denn er weiß, dass ihm nur noch wenig Zeit bleibt. Eine Zahl taucht immer wieder in der Offenbarung auf: 3½ Jahre oder 1260 Tage oder 42 Monate. Es ist immer derselbe Zeitraum. Auch diese Zahl ist nicht wörtlich zu übertragen, sondern wir müssen nach ihrer Bedeutung fragen. Die Zahl 3½ ist die Hälfte von sieben. Sieben ist die göttliche Zahl, die Zahl der Vollkommenheit. 3½ ist eine gebrochene Zahl, die Zahl der Unvollkommenheit, die Zahl des Unglücks.

Es gibt einen Zeitraum, einen begrenzten Zeitraum – aus Gottes Sicht einen kurzen Zeitraum - in dem die Gemeinde Jesu (die Frau) in dieser unvollkommenen Welt leben muss. Es geht um die Endzeit. Es geht um die Zeitspanne zwischen Jesu Himmelfahrt und Seiner Wiederkunft. In dieser Zeit wird die Gemeinde bedroht, bedrängt und verfolgt.

Aber Gott sorgt für Sein Volk. Er selbst schafft einen Ort der Sicherheit, einen Zufluchtsort. Das Bild für diesen Ort ist die Wüste. Das ist auch nicht wörtlich zu verstehen. Mit "Wüste" ist kein geographischer Ort gemeint. Du kannst mitten auf St. Pauli (Hamburger Rotlichtviertel) wohnen und bist dennoch geschützt als Kind Gottes. Es spielt keine Rolle, wo du lebst. Gott gibt Schutz und Bewahrung und das nicht nur vorübergehend, die Kirche hat es erlebt in den vergangenen 2000 Jahren und wird es erleben, bis Jesus wiederkommt.

Wir lesen, mit welchen Mitteln der Drache versucht die Frau zu töten, aber es gelingt ihm nicht. Gottes Schutz und Bewahrung hat eine übernatürliche Qualität und Seine Zusage gilt: bis zum Ende dieser Zeit wird Satan die Gemeinde Jesu nicht vernichten können. Satan erkennt das und macht sich an einzelne Gläubige heran. Wo er es nicht schafft, Christen buchstäblich zu töten, da versucht er ihren Glauben zu töten. Er versucht, unsere Liebe zu Gott umzubringen, unser Vertrauen zu erschüttern, unsere Bereitschaft Gott zu dienen, lahm zu legen und ganz besonders unsere Versuche, anderen Menschen von Jesus zu erzählen, im Keim zu ersticken.

Vor ein paar Wochen habe ich einen jungen Mann kennengelernt. Er ist erst seit kurzem Christ und sagt von sich: ich war ein Guru. Er war mit dem Fahrrad in Indien unterwegs und praktizierte geistliche Übungen. Er konnte mühelos eine ganze Woche lang fasten. Er sagte: jetzt bin ich Christ und schaffe es noch nicht einmal zwei Tage...!

Ich sagte: und du wunderst dich darüber?

Er: Ja, sicher wundere ich mich!

Ich entgegnete: Früher musstest du nur gegen deinen Bauch kämpfen, jetzt kämpfst du gegen deinen Bauch und gegen einen erbitterten Feind, der alles tut, um zu verhindern, dass deine Beziehung zu Jesus wächst.

Als Christen brauchen wir keine Angst vor Satan zu haben, aber wir müssen ihn ernstnehmen. Und wir müssen erkennen, dass wir unter Beschuss stehen. Wir sollten die Bibel ernster nehmen und aufhören uns zu wundern. Viele Christen haben ein völlig falsches Bild vom Christsein. Sie sagen Ja zu Jesus und erwarten, dass Gott rund um die Uhr damit beschäftigt ist, ihnen ihre Probleme aus dem Weg zu räumen. Als Christen stehen wir unter Beschuss. Christliche Ehen werden angegriffen und wir wundern uns. Christliche Eltern haben Probleme mit ihren Kinder oder umgekehrt und wir wundern uns. Christen haben Schwierigkeiten am Arbeitsplatz und wir wundern uns. Christen streiten miteinander, Gemeinden spalten sich und wir wundern uns.

Schauen wir doch den Tatsachen ins Auge – und hören auf, uns zu wundern. Es gibt einen Drahtzieher hinter all den Ereignissen, die wir vor Augen haben. Es gibt einen unsichtbaren Feind. Nicht mein Ehepartner ist mein Feind, nicht mein Chef, nicht der Mitchrist, mit dem ich Meinungsverschiedenheiten habe – der Feind ist der Feind!

Wenn wir diese Hintergründe durchschaut haben, können wir lernen, ganz anders mit Konflikten umzugehen. Gott weiß, dass wir als Gemeinde den Angriffen des Drachens nicht aus eigener Kraft entkommen können, er kennt unsere Schutzlosigkeit und unsere Schwachheit. Aber Er möchte auch, dass wir ein siegreiches Leben führen, ein aktives Leben, ein effektives Leben und dass wir uns dafür einsetzen, dass Sein Reich wächst. Er sorgt für eine übernatürliche Lösung.

Es heißt: Die Frau erhielt die beiden Flügel des großen Adlers. Fliegen ist etwas, was wir Menschen von Natur aus nicht können. Der Adler ist nicht irgendein Vogel, sondern wird auch "König der Lüfte" genannt, ein majestätisches Tier. Nun stell dir einmal vor, du steckst bis zum Hals in Schwierigkeiten, du stehst mit dem Rücken an der Wand und siehst keinen Ausweg. Stell dir vor, Gott gibt dir diese Adlerflügel und du kannst vom Boden abheben. Ich meine jetzt kein charismatisches Abheben aus der Wirklichkeit nach dem Motto: alles wird gut. Ich meine ein Schauen auf die Probleme aus einer anderen – einer göttlichen Perspektive.

Wie sieht die Welt von oben aus? Wie sehen Probleme von oben aus? Zunächst einmal wesentlich kleiner, als wenn man mitten drin steckt. Die Luft ist klar, der Kopf wird frei. Fliegen muss ein unbeschreibliches Gefühl der Freiheit sein. Ein Leben mit Jesus bedeutet Freiheit: wen der Sohn Gottes frei macht, den macht Er wirklich frei! Was heißt das ganz praktisch? Wenn mich ein Problem erdrückt, dann habe ich die Möglichkeit, mich aus dem Alltag zurückzuziehen, auszusteigen und die Nähe Jesu zu suchen. Ich kann mir alles Belastende von der Seele reden und bei Ihm abgeben. Dann kann ich Ihn bitten, mir Seine Perspektive des Problems zu zeigen. Und das bedeutet meistens: Korrektur. Die göttliche Perspektive eines Problems anzunehmen bedeutet, meine eigene verzerrte, oft übertriebene Sicht abzulegen und der Wahrheit ins Auge zu sehen. Denn die Wahrheit macht uns frei. Aus dieser neuen Sicht heraus können wir unser Problem angehen und bewältigen.

Vor einem Jahr hatte ich einen Traum. Ich wusste sofort: hier redet Gott. Das passiert mir nicht oft, um genau zu sein, war dies das zweite Mal, seitdem ich Christ bin, also das zweite Mal in 18 Jahren. Ich sah im Traum einen Hund auf mich zukommen – ich habe Angst vor Hunden, für mich stellen sie eine Bedrohung dar. Der Hund verwandelte sich in einen Bären, was bedeutet: die Schwierigkeiten, die auf mich zukommen, sind nicht nur bedrohlich, sondern versetzen mich in Panik. Ich konnte vor dem Bären weglaufen und mich hinter einem hohen Lattenzaun retten. Der Bär ging nicht weg, stattdessen kamen Bauarbeiter und fingen an, Versorgungsleitungen zu mir hinter den Zaun zu legen, so wie ich es von unserem Hausbau kenne. Ich schrie zu Gott: ich will nicht versorgt werden, ich will, dass der Bär verschwindet! Das war meine Perspektive. Ich hatte erwartet, dass Gott den Bären an die Leine nimmt und wegführt – übersetzt heißt das: ich wollte, dass Gott meine Probleme beseitigt.

Gottes Perspektive sah anders aus: Er wollte mir zeigen, dass Er mich inmitten von Schwierigkeiten mit allem Nötigen versorgen wird. Er wollte mich nicht vor Schwierigkeiten bewahren, sondern in den Schwierigkeiten. Das zu akzeptieren fällt mir unglaublich schwer. Das ist anstrengend, das ist mühsam. Es ist doch viel leichter, ein Gebet zu sprechen und die Probleme platzen wie Seifenblasen. Aber Gottes Ziel für mein Leben ist Sein Schutz, Seine Vorsorgung und Seine Bewahrung inmitten von Schwierigkeiten, sodass mein Glaube wächst und ich immer mehr zu einem Überwinder werde.

Die Zeit, in der wir leben, ist noch nicht das Paradies. Sie ist unvollkommen und bedrohlich. Aus unserer Sicht dauert die Endzeit schon unendlich lange, aus Gottes Perspektive ist es eine kurze Zeit. Warum mutet Er uns das zu? Warum verkürzt Er diese Zeit nicht? Warum diese Quälerei? Weil es immer noch verlorene Kinder gibt, die in der Dunkelheit herumirren und noch nicht nach Hause gefunden haben! Aus Gottes Sicht ist die Endzeit auch eine Gnadenzeit. Wäre Jesus vor meinem 30. Geburtstag wiedergekommen, dann hätte auch ich zu den verirrten Kindern gehört, die verloren gehen. Für mich war es Gnade, dass Gott gewartet hat. Und für all die Menschen, die in den nächsten Jahren noch zum Glauben kommen werden, ist es eine Gnadenzeit. Denn würde Jesus morgen wiederkommen, dann wären sie nicht bei den Geretteten. Vielleicht hilft diese göttliche Perspektive uns Christen, mit persönlichen Problemen anders umzugehen. Vielleicht können wir sogar eines Tages sagen: was sind meine Probleme im Vergleich zu der Freude, wenn ein Mensch zum Glauben kommt! Dafür lohnt sich das alles! Vielleicht hilft uns die göttliche Perspektive dabei, uns selbst nicht ganz so wichtig zu nehmen und uns aktiv daran zu beteiligen, dass verlorene Kinder ins Vaterhaus finden.

Amen.

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