"Gott braucht
überall seine Leute"

Christliche Nachrichtenagentur idea, 14. November 2007


Gestern berichtete idea über die Grundsteinlegung für ein Zentrum in und um das ehemalige KGB-Gefängnis in Potsdam. Einer, der in der heutigen Landeshauptstadt Brandenburgs verurteilt und misshandelt wurde, ist Hansjörg Stephan. Darüber, wenn man als 21-jähriger Christ unschuldig zu 25 Jahren Haft verurteilt wird, berichtet heute Helmut Matthies.

Auch 62 Jahre nach Kriegsende gibt es noch Unrecht an Christen in Deutschland, das weder bekannt, geschweige denn aufgearbeitet ist. Dazu gehört vor allem, dass nach dem Krieg 1945 in der Sowjetischen Besatzungszone (dem damaligen Mitteldeutschland) und besonders in den 50er Jahren in der daraus hervorgegangenen DDR Hunderttausende unschuldig inhaftiert waren. Erst jetzt - Anfang Juli - wurde der Grundstein für ein Zentrum in und um das ehemalige KGB-Gefängnis in Potsdam gelegt, das die Verbrechen dokumentieren soll. Einer, der in der heutigen Landeshauptstadt Brandenburgs verurteilt und misshandelt wurde, ist Hansjörg Stephan. Seine Leidensgeschichte begann am 10. Januar 1950, als der engagierte Leiter einer evangelischen Jungengruppe in Potsdam abends nach Hause ging. Auf dem Bürgersteig sah er Flugblätter liegen. Als er sich eines ansehen wollte, stürzten sich zwei Männer auf ihn und behaupteten, er hätte die antisowjetischen Flugblätter verteilt. Der völlig Unschuldige wurde schließlich zu 25 Jahren Arbeitslager verurteilt.

Der größte Wunsch: eine Bibel
Über die Behandlung durch den sowjetischen Geheimdienst schrieb er: "Es wurde geschrien, beleidigt, gedemütigt, geschlagen, um Geständnisse zu erzwingen. Uns wurde angedroht, dass unsere Familien verhaftet, ja 'ausgelöscht' würden." Sein größter Wunsch war, an eine Bibel heranzukommen. Vergebens. Nach fünf Monaten sagte man ihm, er werde nach "Bautzen" verlegt - es galt als das schlimmste Gefängnis für politische Häftlinge in der DDR überhaupt.

Ein Wunder in Bautzen
Nun war mit einer Bibel überhaupt nicht mehr zu rechnen. Völlig verzweifelt kam er in Bautzen (östlich von Dresden) an. In seiner winzigen Zelle war ein Wandregal. Darauf lag - von unten nicht sichtbar - ein Losungsbuch der Herrnhuter Brüdergemeine von 1950. Wie mag es je in dieses hermetisch abgeriegelte Zuchthaus gekommen sein? Der damals 21-jährige Hansjörg Stephan erlebte: "Gott sorgt für seine Leute." Aus Anlass des 10. Jahrestages des Mauerfalls führte idea eine Reise zum Thema "Christen in DDR-Haft" durch. idea bat Hansjörg Stephan im letzten Gefängnis, in dem er war, im sächsischen Torgau, über seine geistlichen Erfahrungen zu berichten.

Wie konnte Gott es zulassen?
Der damals 71-Jährige tat es ohne Anklagen und Emotionen. Eine junge Teilnehmerin wurde daraufhin äußerst unruhig und schrie fast: "Wie konnte ein liebender Gott nur zulassen, dass Sie als unschuldiger Christ dieses schlimme Leid ertragen mussten?" Die Antwort von Hansjörg Stephan ließ geradezu atemlos werden: keine Kritik am brutal erlebten Sozialismus, seinen Folterern, an kaum erfolgter Rehabilitierung, sondern einfach nur der Satz: "Gott braucht überall seine Leute. In all den Gefängnissen war ich auf meinem Trakt meistens der Einzige, der den Mitgefangenen sagen konnte, dass Gott auch in diesem Elend als Heiland gegenwärtig ist."

EKD-Chef bezeugt Respekt
Nach sechseinhalb furchtbaren Jahren wurde Hansjörg Stephan schließlich entlassen, floh in den Westen, studierte Theologie und war rund 30 segensreiche Jahre Pfarrer - zuletzt elf Jahre im Lahn-Dill-Kreis. In all den Jahren kam keine Synode, keine Evangelische Akademie auf die Idee, ihn über seine Erfahrungen berichten zu lassen. Er hat das nicht beklagt, ja nicht einmal erwartet. Er - jetzt in Duisburg lebend - war ganz erstaunt über die Frage. Umso erfreulicher ist, dass jetzt der EKD-Ratsvorsitzende, Bischof Wolfgang Huber, ihm in seiner Heimatstadt Potsdam bei der Grundsteinlegung für ein Dokumentationszentrum über die Leiden, die der KGB verursacht hat, seinen Respekt bezeugte.

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