Georg Taubmann über seine Geiselhaft 2001 bei den Taliban
Wenn man seinem Peiniger
vergeben soll

Evangelische Nachrichtenagentur idea, 23.08.2007


Nach 102 Tagen in Geiselhaft des radikalislamischen Taliban-Regimes in Afghanistan kam Georg Taubmann im November 2001 zusammen mit sieben weiteren Mitarbeitern des Hilfswerkes "Shelter Now" (Zentrale Braunschweig) frei. "Taubmann hat Hassgefühle gegen die Taliban" titelte ein deutsches Blatt nach der ersten Pressekonferenz. Doch das war nur ein Teil der Wahrheit.

Tatsächlich hatte ich gesagt, dass ich nach all diesen schrecklichen, damals noch sehr frischen Erfahrungen zwar negative Gefühle gegen unsere Peiniger empfinde, mich aber als Christ entschieden habe, den Taliban zu vergeben. Den zweiten Teil hatten allerdings viele deutsche Zeitungen nicht erwähnt. Vergebung – was für eine Herausforderung an mich! Denn immerhin hatten die Taliban uns nicht nur gefangen, bedroht, schlecht behandelt, sondern auch unsere gesamte Organisation zerschlagen und all unsere persönliche Habe gestohlen bzw. zerstört. Als ich dann im Jahr 2002 die Arbeit in Afghanistan wieder aufgenommen hatte, wurde ich ständig mit meinen grauenhaften Erinnerungen konfrontiert. So musste ich jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit an meinem einstigen Gefängnis vorbeifahren.

Jesus gab die zweite Chance
Eines Morgens klingelte ein junger Paschtune an der Tür und forderte eine Arbeitsstelle bei "Shelter Now". Es war einer der strengen und besonders arroganten Talibanwächter. Fürchterliche Erinnerungen stiegen in mir auf. Er allerdings zeigte keine Spur von Reue, bat nicht um Entschuldigung, erwähnte das Vergangene nicht einmal. Seine Unverfrorenheit schockierte und ärgerte mich. Ich gab ihm kurz zu verstehen, dass es keine Arbeit für ihn gibt. Verstört und innerlich aufgewühlt ging ich ins Haus zurück. Ich hatte nicht so gehandelt wie jemand, der von Herzen vergeben hat. Sogleich bat ich Jesus um Vergebung für meine Haltung und betete für diesen jungen Mann. Zwei Tage darauf klingelte derselbe Mann wieder. Gab Jesus mir hier eine zweite Chance? Dieses Mal konnte ich ohne innere Ablehnung mit dem Mann reden. Ich erklärte ihm die Situation ausführlich und mit Respekt. Er bedankte sich und ging. Diesmal hatte ich in meinem Herzen Frieden. Gott hatte Geduld mit mir, und so konnten der junge Taliban und ich etwas von der befreienden Kraft der Vergebung spüren.


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