Wenn Worte verletzen
Verbaler Missbrauch in der Ehe
von Pastorin Vickie Shaull-Groth
Heute möchte ich ein Thema behandeln, das einmal sehr wichtig für mich war: ehelicher Missbrauch - wie man ihn identifizieren kann, einige seiner Gründe und welche Schritte wir alle für die Heilung benötigen. Ich bete, dass diese Lehre dich segnen möge, so wie diejenigen, die du liebst und diejenigen, die dich lieben.
Worte wie Waffen zu benutzen ist so alt wie die menschliche Sprache selbst, aber wir schenken dieser Thematik nicht die Beachtung, die sie verdient. In den letzten paar Jahrzehnten haben wir einen langen Weg zurückgelegt, um den Schaden zu erkennen und zu verstehen, der von körperlichem und sexuellem Missbrauch ausgelöst wird. Aber es gibt immer noch genug Menschen, die nicht erkennen, dass Worte manchmal noch kräftiger sind, als Fäuste je sprechen können. Wir sollten uns alle der Auswirkungen bewusst sein, die unsere Worte auf andere Menschen haben können.
Jakobus, einer der Schreiber des Neuen Testaments, sagte, dass, obwohl die menschliche Zunge nur ein kleiner Teil des Körpers ist, sie die Macht zu gewaltigen Auswirkungen habe. Im Buch der Sprüche heißt es, dass die Zunge Macht über Leben und Tod hat (18,21). Die Sprache, die wir gebrauchen, um miteinander zu kommunizieren, ist wie ein Messer. In der Hand eines fachkundigen Chirurgen kann es Gutes bewirken. In der Hand eines unvorsichtigen, ignoranten Menschen kann es jedoch ganz furchtbaren Schaden anrichten.
Die Bibel lehrt uns, dass ein freundliches Wort ein zerbrochenes Herz erheben, nähren, heilen kann. In Sprüche 16,24 steht: "Ein freundliches Wort ist wie Honig: angenehm im Geschmack und gesund für den Körper." Worte können das Vertrauen, die Hoffnung und Bestimmung in den Ehepartner wieder herstellen, der sich entmutigt, verloren oder verwirrt fühlt. Wir alle kennen die Spottgesänge auf dem Schulhof, als wir Kinder waren: "Sticks and stones can break my bones, but words can never hurt me." Ich wünschte, das würde auch für die Heiligen Gottes gelten... Tatsache ist, dass unfreundliche Worte uns manchmal wirklich tief an der Seele verletzen können. Angeschrien oder mit "Idiot", "Blödmann" oder ähnlichem betitelt zu werden, ganz besonders vom Ehepartner, kann Wunden beifügen, die Jahre brauchen, bis sie verheilen.
Oft nehmen wir die Macht der Zunge nicht ernst genug und überfallen jemanden damit, was verheerende Auswirkungen in dessen Leben haben kann. Ein paar unüberlegte Worte können den Geist eines Ehepartners, Kindes oder Elternteils regelrecht umbringen. In Sprüche 12,18 steht, dass gedankenlose Worte "verletzen wie Messerstiche" Auch Jakobus führt das Thema fort und beschreibt die Zunge als "voll tödlichen Giftes".
Bedeutet das nun, dass wir durch unsere Worte unentwegt Schmerz auslösen? Nein, natürlich nicht! Aber es gibt auch Zeiten, in denen die Situation einen empfindsamen und geschulten Gebrauch einschneidender Worte erfordert, was anfänglich schmerzhaft sein kann, denn wir alle benötigen von Zeit zu Zeit Korrektur, konstruktive Kritik und Ermahnungen. Obwohl sie notwendig sind, können die Worte dennoch wehtun, aber hier handelt es sich um keinen Schmerz, der Schaden bringt, sondern Wachstum in unserem Leben als Christen bewirkt.
Leider lassen unsere Worte häufig ein liebevolles Motiv missen, wenn wir durch sie Schmerz verursachen. Wir gebrauchen eher solche Worte, mit denen wir uns gegenseitig angreifen. Verbale Kriegführung ist in vielen Ehen oft anzutreffen. Konflikte sind in der Ehe unvermeidbar, denn jeder Partner bringt seine/ihre eigenen Welt mit ein (und manchmal auch emtionales Gepäck). In gesunden Beziehungen werden solche Streitigkeiten auf nichtzerstörerische Weise gelöst.
Obwohl verheiratete Paare große Streitigkeiten haben können, lernen viele es dennoch, wie sie sich durch ihre Konflikte auf positive Weise hindurcharbeiten können. Das erlaubt es ihnen dann, auf kontrollierte und respektvolle Weise zu streiten. Jedoch gehen viele Ehepaare durch Zeiten, in denen sie ihre Worte mitten im Konflikt missbrauchen. Geschwister, wir wissen, wo das herkommt! Der Teufel schlüpft durch jede Tür, die er findet, um in harmonische Beziehungen einzudringen. Traurigerweise haben wir alle bis zu einem gewissen Punkt Anteil an unfairen Kämpfen und daran, dass wir nicht so sehr an der Lösung unserer Schwierigkeiten arbeiten, als vielmehr daran, zu manipulieren, zu gewinnen oder sogar uns zu rächen.
Wie werden Worte zur Kontrolle bzw. zu Angriffen verwendet? Wissend oder auch unwissend haben wir alle, die wir verheiratet sind, unsere Ehepartner schon einmal mit unseren Worten kontrolliert bzw. verletzt. Obwohl die Art und Weise, wie wir das tun, in ihrer Intensität von Beziehung zu Beziehung variieren kann, zeigt die folgende kurze Beschreibung die am häufigsten anzutreffenden Taktiken, die Paare anwenden, um sich gegenseitig zu kontrollieren bzw. anzugreifen:
Was hat Gott in all dem zu sagen? Die Bibel nimmt keine Art egoistischer Dominanz auf die leichte Schulter. Nachdem der Schreiber des Predigerbuches die Tränen der Unterdrückten gesehen und die Macht der Unterdrücker beobachtet hatte, schlussfolgerte er, dass es besser wäre tot zu sein, als in Unterdrückung zu leben (Prediger 4,1-2). Unterdrückung (Depression) ist nicht die Art gegenseitiger Liebe und Respekt, die Gott zwischen Mann und Frau beabsichtigt hatte. Stattdessen ist es mehr wie eine Diktatur, wenn der eine seine Autorität über den anderen ausspielt. Um die eigene Kontrolle zu bekräftigen, isolieren manche starke Ehepartner den schwächeren von Familie und Freunden.
Zu lieben heißt, das Beste für unseren Ehepartner zu wollen. Liebe bedeutet, sich tief um den anderen zu kümmern, selbst wenn wir unser Vertrauen in ihn verloren haben. Liebe konfrontiert und spricht ebenfalls sündige Muster im Leben unseres Partners an, selbst wenn ihn das ärgert oder er sich unangenehm berührt fühlt.
Sogar Jesus, der vollkommen liebte, hat manchmal unangehme Dinge angesprochen. Ganz energisch ging Er gegen die Geldleiher vor und jagte sie aus dem Tempel, weil sie die Leute mit ihren inflationären Preisen betrogen. Es gab Momente, in denen Er scharfe Kommentare über andere machte.
Jesus ging jedoch nicht gegen Menchen vor, um sich an Seinen Feinden zu rächen, sondern um diejenigen wachzurütteln, die den Schaden nicht bemerkten, den sie verzapften. Er ging konfrontierte sie, um ihnen die Gelegenheit zu geben, ihre Sünden einzugestehen, Buße zu tun und die Vergebung Gottes zu erfahren. Auf gleiche Weise sollten streitende Eheleute sich liebevoll aus dem Wunsch heraus begegnen, dass der Partner zur Vernunft kommt und sich mit Gott und sich selbst versöhnt.
Während es bekannt ist, dass verbale Kämpfe in jeder Ehe ausgetragen werden, erkennen vernünftige und gerechtigkeitsliebende Menschen, dass es einen Unterschied zwischen normalen ehelichen Konflikten und ernsten verbalen und emationalen Missbräuchen gibt. Man braucht keinen gewieften Wissenschaftler, um herauszufinden, dass eine kritische Grenze überschritten wurde, wenn ein dominanter Ehepartner Worte gebraucht, um ständig zu kontrollieren und anzugreifen. Die Ehe ist zu einer einseitigen, missbräuchlichen Beziehung geworden, in der Liebe und Respekt durch egozentrischer Macht und Kontrolle ersetzt wurden. Wenn die Grenze zwischen einem normalen ehelichen Konflikt und dem ernsten verbalen Missbrauch mehr und mehr überschritten wird, dann ist die Beziehung erdrückend. Die Partner stehen nicht mehr auf gleicher Ebene. Der Schwächere der beiden hat nicht mehr die Freiheit Nein zu sagen bzw. die eigenen Ansichten und Meinungen auszudrücken. Der andere hat die meiste, wenn nicht gar alle Macht und beinahe alles geschieht nach seinen Bedingungen - oder sonst....
Wer sind diese missbrauchenden Unterdrücker? Erfahrung und Forschung haben herausgefunden, dass es gewöhnlich die Ehemänner sind, die verbal kontrollieren, aber auch viele Ehefrauen machen sich schuldig. Während Ehemänner die meisten körperlichen Missbräuche in der Ehe begehen, haben Ehemänner wie Ehefrauen gleichermaßen das Potential, ihre Partner mit Worten zu dominieren.
Wie gebrauchen Ehepartner Worte, um den anderen zu unterdrücken? Ehepartner, die ihre Partner regelmäßig unterdrücken und kontrollieren, gebrauchen dieselben verbalen Attacken, die von allen Eheleuten verwandt werden - nur benutzen sie sie wesentlich häufiger und mit einer größeren Intensität und Boshaftigkeit. Der Sarkasmus ist beißender und die Vorwürfe schärfer. Taktiken wie Drohungen, Forderungen und Entkräftigungen werden ebenfalls benutzt. Ein extrem kontrollierender Ehemann könnte zum Beispiel zu seiner Frau sagen: "Ich weiß nicht, was du schon wieder hast. Glaubst du wirklich, dass auch nur ein Mensch dich ernstnimmt?"
Verbal missbräuchliche Worte können auf allen Ebenen verletzen. Aber die zurückbleibenden Schäden sind umso erheblicher, je extremer der Missbrauch wird. Die Verletzungen sind nicht auf die Weise sichtbar, wie beim körperlichen Missbrauch, aber nichtsdestotrotz... sie sind da - tief innen drin. Und oft gibt es langfristige Folgen durch irrational herabgesetzte Ehepartner, denn sie haben das Empfinden, verrückt zu werden oder keinen Ausweg zu finden.
Wenn das passiert, dann erstickt der Missbrauch die Ehre, die Gott jedem von uns als Kreaturen in Seinem Ebenbild geschaffen, gegeben hat. Wir können jedoch Schritte unternehmen, um das umzukehren. Erkenne das Problem. Deine Wahrnehmungen und Meinungen sind ganz legitim. Gott hat dich geschaffen und Er macht keine Fehler. Er möchte, dass du dich geliebt, sicher fühlst; dass du in Frieden lebst und deine Gefühle kontrollieren kannst. Manchmal hilft es, die verbalen Attacken aufzuschreiben, die vom dominierenden Partner kommen, sodass man die Muster der Kontrolle und Manipulation erkennen kann. Bitte halte dir vor Augen, dass dies für dein eigenes Verstehen von Bedeutung ist, nicht, um dich zu rächen. Gott ist derjenige, der Buch führt über die ganzen Attacken, "deshalb werden keine Waffen etwas gegen dich ausrichten können", (Jesaja 54,17).
Führe eine vorsichtige Selbstanalyse durch und gestehe deine Reaktion auf den Missbrauch ein. Selbstverständlich bist du in keinster Weise verantwortlich für den verbalen Missbrauch deines Ehepartners. Das Eingeständnis der Reaktion hilft davor, dass Machtlosigkeit und Bitterkeit in deinem Herzen wurzeln können. Die Angst, die solchen Missbrauch begleitet, offenbart unser Zögern, unser Wohlergehen Gott anzuvertrauen. Schmerzvolle Begebenheiten in unserem Leben können diesen Zweifel an Gottes Liebe bewirkt haben. Kümmert Er sich wirklich um uns? Schützt Er uns wirklich? Diese Fragen nagen an unserem Glauben, wenn es vermeintliche Gründe zu zweifeln gibt, ob Er für uns da ist, wenn wir Ihn brauchen. Aber auch wenn wir zweifeln, hört Gott unseren Hilfeschrei. Unser Vater wartet darauf, dass wir umkehren und unser Vertrauen in Ihn stecken. Hier können wir die wahre Bedeutung von Sprüche 29,25 erfahren, wo es heißt: "Menschenfurcht stellt eine Falle; wer aber auf den HERRN vertraut, ist in Sicherheit."
In der Zusage Seiner Vergebung können wir Mut fassen und richtig auf den verbalen Angriff des kontrollsüchtigen Partners reagieren - nicht aus Angst, sondern aus Liebe.
Jesus sagte: "Wenn dein Bruder sündigt, so weise ihn zurecht und wenn er es bereut, so vergib ihm," (Lukas 17,3). Gott vergibt all denen, die ehrlich ihre Sünden bekennen und sich Seiner Gnade anvertrauen. Er verpricht nicht, alle natürlichen Konsequenzen von Unrecht wegzunehmen. Stattdessen entlässt Er den Angreifer von der Schuld und den Angegriffenen vom Ärger, der sonst die gegenseitige Liebe unmöglich machen würde. Jesus lehrt uns, unsere Feinde zu lieben. Denjenigen zu lieben, der uns verletzt hat, ist nicht einfach. Wir alle benötigen Zeit, dorthin zu gelangen, dass wir denjenigen wieder lieben können, der uns so wehgetan hat. Wir bekommen die Bitterkeit aus unserem Herzen, wenn wir die Rache Gott überlassen. Die unbezahlbare Rechnung von deinem reumütigen Partner zu begleichen ist das, was uns als solche unterscheidet, denen Gott vergeben hat. Wir stehen alle auf gleicher Ebene am Fuß des Kreuzes Christi. Es macht uns bewusst, dass wir uns selbst in der verzweifelten Not nach der Gnade und Liebe Gottes in unserem Leben befinden, wenn wir nicht willens nicht, unseren Nächsten so zu lieben, wie Gott selbst uns liebt. Lasst uns dankbar sein, dass das Angebot Seiner Gnade immer noch für uns verfügbar ist!