Wie man seinen Zorn zügelt
von Reinhold Ruthe
Evangelische Nachrichtenagentur idea, 26. Oktober 2007


Jesus hat in der Bergpredigt unmissverständlich deutlich gemacht, wie er den Zorn des Menschen einschätzt. So verweist er auf die persönliche Verantwortung für den Zorn (Matthäus 5,22), wonach der Mensch dafür "des Gerichts schuldig" wird. Heute gibt der christliche Psychotherapeut Reinhold Ruthe Hinweise zum richtigen Umgang mit dem Zorn.

Der Apostel Paulus hat im Epheserbrief ein paar konkrete Hinweise gegeben, wie wir mit Zorn, Wut und Bitterkeit umgehen sollen. Bei ihm heißt es: "Hört also auf zu lügen und betrügt einander nicht, denn wir sind Glieder am Leib Christi. Versündigt euch nicht, wenn ihr in Zorn geratet, und versöhnt euch wieder miteinander, bevor die Sonne untergeht. Sonst bekommt der Teufel Macht über euch ... Lasst kein giftiges Wort über eure Lippen kommen ... Weg also mit jeder Verbitterung, mit Aufbrausen, Zorn und jeder Art von Beleidigung. Schreit einander nicht an. Legt jede feindselige Gesinnung ab" (Epheser 4,25 ff.). Zum Umgang mit Zorn, Wut und Bitterkeit einige Anmerkungen:

1. "Zorn, das Problem hinter allen Problemen." Das behaupten die christlichen Eheberater David Stoop und David Mace. "Unsere Unfähigkeit, Zorn konstruktiv zu verarbeiten, ist die Wurzel aller Eheprobleme und somit auch die Ursache der hohen Scheidungsraten." Nicht sexuelle Probleme sind heute das Thema Nr. 1, sondern bei Christen die falsche Verarbeitung von Zorn, Wut und Bitterheit.

2. Zorn ist menschlich. Jesus und Paulus unterstellen, dass es Zorn auch bei Christen gibt. Zorn ist menschlich und nahezu unvermeidbar. Die Frage ist nur, wie wir damit umgehen. Der christliche amerikanische Arzt James Dobson schreibt, dass Zorn, der gedanklich unseren Stressmechanismus aktiviert hat, nicht mehr zu stoppen ist. Die Unterbrechung muss also vorher einsetzen, bevor gedanklich Zorn und Wut ausgelöst werden (siehe Denkanstoß Nr. 3).

3. Zorn ist ein Gefühl und ein Verhaltensmuster. Da die Gefühle Zorn, Wut und Bitterkeit mit unseren Gedanken gekoppelt sind, werden sie auch als Verhaltensmuster benutzt. Zorn wird in Dienst gestellt. Ich habe nicht einfach Zorn und kann nichts dafür; für Zorn, Wut und Bitterkeit trage ich die Verantwortung, und zwar vor mir selbst, vor den anderen und vor dem lebendigen Gott. Was können wir tun?

Denkanstoß Nr. 1: Klären Sie Ihren Zorn, bevor Sie sich schlafen legen! Warum ist das hilfreich? Zorn, der gespeichert wird, macht bitter. Der Zorn eskaliert. Die Wut steigert sich. Das Ansammeln verstärkt feindselige Gefühle und Gedanken.

Denkanstoß Nr. 2: Wer verdrängt und verschweigt, leitet den Zorn nach innen. Wir sprechen von psychosomatischen Störungen und Krankheiten. Der gesamte Körper vom Scheitel bis zur Sohle kann betroffen sein. "Herr, erst wollte ich meine Schuld verschweigen, doch davon wurde ich so krank, dass ich von früh bis spät nur stöhnen konnte" (Psalm 32,3). Wer verdrängt und nicht darüber spricht, redet mit seinen Organen, mit seinem Körper. Schließlich gehören wir Gott mit Leib, Seele und Geist - ganz.

Denkanstoß Nr. 3: Was wollen Sie mit Zorn, Wut und Bitterkeit bezwecken? Das ist die entscheidende Frage für Ihre Buße, für Ihre Gesinnungsänderung. Was wollen Sie mit Zorn erreichen? Welche unbewussten Ziele streben Sie an? Wollen Sie Macht ausüben? Wollen Sie recht behalten? Wollen Sie Ihr Gegenüber bestrafen? Wollen Sie Ihr Gegenüber erpressen, wollen Sie, dass es noch mehr für Sie tut? Wollen Sie ihm einen Denkzettel verpassen? Überlegen Sie, was Sie mit Ihrem sündhaften Muster ausdrücken! Jetzt erst wird Ihr Gebet konkret: "Herr, ich habe erkannt, was ich mit Zorn erreichen will. Meine versteckte Sünde ist mir offenbar geworden. Hilf mir, sie zu ändern!"


Reinhold Ruthe, geboren 1927, ist verheiratet mit Charlotte, mit der er die erste deutsche Eheschule gründete. Er ist Eheberater und Psychotherapeut für Kinder und Jugendliche und leitete bis 1990 eine Evangelische Familienberatungsstelle. Später Dozent für Psychologie und Pädagogik an zwei staatlichen Hochschulen. Er gründete mit Frau und Tochter das Magnus-Felsenstein-Institut für beratende und therapeutische Seelsorge und ist Autor von etwa 85 Büchern.

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