Für ein besseres Pakistan –
ohne Blasphemie-Artikel

von Peter Schmid, Livenet.ch, 10.04.2007



Für das Pakistan, das den Gründern vorschwebte:
Khalil Tahir.
Der pakistanische Anwalt Khalil Tahir gehört zu den unerschrockenen Kämpfern für Minderheitenrechte und religiöse Toleranz in seinem Land. Bei einem Besuch in der Schweiz forderte er die Streichung der berüchtigten Blasphemieartikel 295B und 295C aus dem pakistanischen Strafgesetzbuch.

Im Gespräch mit Livenet verweist der Jurist darauf, dass abschätzige Äusserungen über Mohammed oder den Koran schon seit 1947 mit Strafe bedroht werden (maximal zwei Jahre Haft). Bis 1980 habe die pakistanische Justiz allerdings bloss sechs Fälle gezählt.

Im Zuge der Islamisierung mittels Scharia, die der Machthaber General Zia ul-Haq dem Land verordnete, wurden dann die Sanktionen drastisch verschärft: Todesstrafe oder lebenslange Haft. Khalil Tahir kritisiert, dass im Unterschied zu allen anderen

Straftatbeständen die Absicht keine Rolle spielt!

Viele haben diesen Strafrechtsartikel als Waffe verwendet, um Ehre und Existenz anderer Pakistani – Christen wie Moslems – zu zerstören. „Viele Moslems sind umgekommen sowie rund 50 Christen.“

Eingeschüchterte Richter
Zu Tode gekommen sind sie nicht infolge eines Urteils, denn in den Berufungsverhandlungen haben Obergerichte und das Höchste Gericht bisher alle beschuldigten Christen freigesprochen! Die Anklagen erwiesen sich allesamt als haltlos.

Der Skandal besteht aber darin, dass die Richter der Erstinstanzen sich davor fürchten, Freisprüche zu fällen oder aus der Haft zu entlassen. Ihnen steht das Schicksal von Oberrichter Arif Iqbal Bhatti vor Augen. Nachdem der 1996 Todesurteile gegen Christen aufgehoben hatte, wurde er ermordet.

Fanatiker nehmen, so Tahir, „das Gesetz in ihre eigenen Hände und töten verdächtigte und beschuldigte Christen, die nicht in Polizeigewahrsam sind. Einige wurden sogar in den Gefängnissen umgebracht.“

Gemässigte Moslems sind machtlos
Die Gesetzesbestimmung hängt laut Tahir wie ein Damokles-Schwert über den Christen (und anderen Minderheiten, namentlich den Ahmadis) und verdüstert ihren Alltag. „Wir fordern die ersatzlose Streichung dieser Artikel.“

Viele gemässigte Moslems unterstützten dies grundsätzlich, sagt der Anwalt, aber politischer Druck könne nicht aufgebaut werden, da fanatische islamische Organisationen die öffentliche Debatte beherrschten und sich wiederholt gegen gemässigte Stimmen gestellt haben.

Dazu kommt laut Tahir die Atmosphäre auf der Strasse: Wenn ein durchschnittlicher Moslem bloss höre, der Prophet Mohammed sei beleidigt worden, empöre er sich. „Er ist ausser sich, verliert seine Beherrschung und wird von Emotionen übermannt“ – ob das Berichtete nun stimmt oder nicht.

Das Hilfswerk ADAL Trust
Mit seiner staatlich registrierten humanitären Organisation ADAL Trust (das Kürzel bedeutet „Aktion gegen diskriminierende Gesetze“) setzt sich Khalil Tahir für angeklagte Christen ein.

Einen starken Anstoss gab ihm der öffentliche Suizid des katholischen Bischofs von Faisalabad, John Joseph, am 6. Mai 1998; ein verzweifelter Protest gegen die drückende Diskriminierung der Christen.


Trotz Drohungen: Der Anwalt kümmert sich um die Angehörigen christlicher Häftlinge.
Not und Einsatz bis zum äussersten
Tahir bearbeitet Fälle, vertritt Angeklagte vor Gericht und besucht die Häftlinge und ihre Angehörigen zu Hause. Er bringt ihnen auch Medikamente und Nahrungsmittel in die Zellen. Manche Familien müssen aus ihrer bisherigen Gegend fliehen, sobald einer ihrer Angehörigen angeklagt worden ist. Sie selber sind dann sozial geächtet und müssen dort, wo man sie kennt, das Schlimmste befürchten.

Tahir kann Christen vor allen Gerichten des Landes vertreten. Nur der Zutritt zum Obersten Gerichtshof ist ihm verwehrt. Neben ihm seien bloss zwei weitere Anwälte in Lahore für die bedrängte Minderheit tätig, sagt er.

Mit seinem öffentlichen Engagement exponiert sich der Fürsprecher und setzt sich

seit Jahren selbst der Gewalt islamischer Fanatiker aus. 2002 trauten sich seine Söhne nicht mehr in die Schule, nachdem er selbst angegriffen worden war.

2004 wurde er nicht weniger als dreimal attackiert, weil er Klage gegen zwei Studenten führte. Sie hatten Javed Anjum, der an einer katholischen Universität studierte, zum Übertritt zum Islam zwingen wollen und dabei zu Tode gequält. Die beiden Moslems wurden im März 2006 zu je 25 Jahren Haft verurteilt.

Die Täter sind auf freiem Fuss
Am 5. August vergangenen Jahres wurde Tahir auf dem Weg von seiner Wohnung zum Gericht von Bewaffneten gestoppt und bedroht. Die Polizei habe den Zwischenfall protokolliert, aber bis heute niemand in Haft genommen.

„Wir Christen sind ein leichtes Ziel – an easy target“, sagt Tahir und kämpft weiter, ein helleres Pakistan vor Augen. Er verweist auf die toleranten Anfänge des Staates 1947. Die Vertreter der christlichen Kirchen unterstützten damals seine Gründung.

Bei seiner Rede zur Unabhängigkeit habe Landesvater Ali Jinnah Religionsfreiheit und Toleranz versprochen. „Kein pakistanischer Christ stellt sich gegen sein Land“, sagt der Patriot. „Sondern wir streben das Pakistan an, das Ali Jinnah vorschwebte.“

Quelle: livenet.ch

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