Ägypten: Christliches Gemeindeleben kommt zum Erliegen
Evangelische Nacheichtenagentur idea, 07. Februar 2011

Kairo (idea) – Wegen der Unruhen ist die Lage der christlichen Minderheit in Ägypten so unsicher geworden, dass ihr Gemeindeleben weitgehend zum Erliegen gekommen ist.

Die EKD hat ihren Kairoer Auslandspfarrer Axel Matyba aus Sicherheitsgründen nach Deutschland zurückbeordert. Seine Frau, Pfarrerin Andrea Busse, war bereits zuvor mit den beiden Kindern zurückgekehrt. Auch gab es am 5. Februar eine Explosion bei einer Kirche in Nordägypten. Sie ereignete sich an der koptisch-orthodoxen St. Georgskirche in Rafah nahe des Gaza-Streifens. Personen kamen nicht zu Schaden, weil das Gebäude leer war. Während Christen von einem Bombenanschlag sprechen, machen die Behörden ein Gasleck verantwortlich. Am 30. Januar waren in der Ortschaft Sharuna (Provinz Minya) zwei koptisch-orthodoxe Familien ermordet worden. Elf Menschen starben, darunter ein dreijähriges Mädchen. Die Häuser der Familien wurden geplündert. Auch aus anderen Regionen Ägyptens werden Übergriffe auf Läden von Christen gemeldet. Von den rund 83 Millionen Einwohnern sind 87 Prozent Muslime und zehn Prozent orthodoxe Kopten. Außerdem gibt es kleinere Gruppen von Katholiken und Protestanten.

Christen und Muslime rücken zusammen
Die teilweise gewalttätigen Unruhen haben dazu geführt, dass Christen und Muslime enger zusammenrücken, berichtet der Pastor der Kairoer Baptistengemeinde, Mounir Malaty, in einem Rundbrief. Nachdem sich die Polizei aus den Straßen zurückgezogen habe, sei es manchenorts zu Plünderungen und chaotischen Verhältnissen gekommen. Auch ein von Baptisten betriebener Laden im Zentrum der Hauptstadt sei verwüstet worden. Nun hätten Christen und Muslime gemeinsam begonnen, ihr Eigentum zu schützen: "Da hat sich eine Tür geöffnet, wie wir nach Jahren der Spannungen nun unseren muslimischen Nachbarn helfen können." Man sehe die Krise auch als Chance, Muslime mit dem Evangelium erreichen zu können. Malaty hofft, dass die Christen nach dem Ende der Ära von Präsident Hosni Mubarak mehr Freiheit erhalten.

Bischof: Werden Kopten zu "Blitzableitern"?
Wie die Evangelische Allianz Ägyptens mitteilt, vereinen sich Orthodoxe, Katholiken und Evangelikale zur Fürbitte für ihr Land. Die Kopten in- und außerhalb Ägyptens beten, "dass Gott seine schützende Hand über und hält" sagte der Generalbischof der rund 6.000 koptisch-orthodoxen Christen in Deutschland, Anba Damian (Höxter), im ideaFernsehen. Die Kirche hoffe, dass es in Ägypten zu Reformen komme, die den Menschenrechten, einschließlich der Religionsfreiheit, Geltung verschaffen. Mit Sorge sehe man die fortgesetzten Übergriffe von islamischen Extremisten auf Christen. "Ich hoffe, dass die Kopten nicht zu Blitzableitern werden", so Damian.

Übergangsregierung: Kopten nicht zu Gesprächen eingeladen
Während die koptisch-orthodoxe Kirche offiziell Neutralität wahrt, beteiligen sich vor allem junge Kopten an den anhaltenden Protesten gegen die Regierung. Seite an Seite mit Muslimen demonstrieren sie auf dem Kairoer "Platz der Befreiung" für ein Ende der fast 30-jährigen Herrschaft Mubaraks. Sie beklagen, dass die Kopten nicht zu Gesprächen mit oppositionellen Kräften über die Bildung einer neuen Regierung eingeladen worden sind. Unklar ist die Beteiligung der radikal-islamischen Muslim-Bruderschaften, die etwa 600.000 Angehörige haben. Unterdessen wird über Mubaraks Zukunft spekuliert. Der 82-Jährige will bis zu den regulären Wahlen im September im Amt bleiben. Laut Presseberichten bestehen Pläne, ihn vorzeitig abzulösen und in eine Klinik im Raum Heidelberg/Baden-Baden zu bringen. Er war bereits im vorigen Jahr in Heidelberg behandelt worden.

Koalition für Israel: Keine EU-Unterstützung für Radikale
Die Europäische Koalition für Israel (ECI) hat unterdessen in einem Offenen Brief an die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton appelliert, alles zu tun, um einer weiteren Radikalisierung des Nahen Ostens zu wehren. Die Muslim-Bruderschaft und die Hisbollah im Libanon könnten niemals "Partner zum Frieden" werden, solange sie das Existenzrecht eines jüdischen Staates in ihrer Region ablehnten. Seit vielen Jahren werde die EU beschuldigt, Organisationen mit Verbindungen zu Terroristengruppen im Libanon und in den Palästinensergebieten Finanzmittel für humanitäre Tätigkeiten zu gewähren. ECI-Direktor Tomas Sandell (Helsinki): "Es ist von entscheidender Bedeutung für die ganze Region, dass jene Gruppen, die Terror und Krieg vorantreiben, keine Unterstützung von der Internationalen Gemeinschaft erhalten."

Weltallianz befürchtet Folgen für Christen in Eritrea
Die Weltweite Evangelische Allianz (WEA), die rund 600 Millionen Christen in 128 Ländern vertritt, ruft angesichts der Unruhen zur Fürbitte auf. Außer Ägypten sind mehrere Länder Nordafrikas und des Nahen Ostens von Protesten gegen die bisherigen Machthaber erfasst, darunter Mauretanien, Algerien, Tunesien, Jordanien und Jemen. Die WEA befürchtet, dass dies Auswirkungen auf Christen auch in weiter entfernten Regionen hat. So könnte sich der Druck auf die Minderheit im nordostafrikanischen Eritrea verstärken, da Staatspräsident Issayas Afewerki ein Übergreifen des Aufruhrs auf sein Land befürchtet. Er sieht Christen, die sich der Kontrolle des Staats entziehen, als potentielle Aufrührer an. Rund 2.200 Christen, vor allem Evangelikale und Katholiken, sind in Polizeistationen, Militärlagern oder Frachtcontainern unter teilweise unmenschlichen Bedingungen eingesperrt. In dem Ein-Parteien-Staat sind seit dem Jahr 2002 nur die orthodoxe und die katholische Kirche sowie die Lutheraner und der sunnitische Islam anerkannt. Von den rund fünf Millionen Einwohnern des Landes sind 44 Prozent Christen und 47 Prozent Muslime; der Rest gehört Naturreligionen an.

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