Ich freue mich wirklich für die Ägypter, die eine drei Jahrzehnte andauernde despotische Regierung losgeworden sind! Ich kann mich nicht erinnern, je solch diszipliniert demonstrierenden Menschenmassen gesehen zu haben! Der von einer Sekunde zur nächsten ausbrechende Freudentaumel während der beeindruckenden Gebetszeit der Muslime, in der der Tahrirplatz zeitweilig in eine übergroße Moschee verwandelt zu sein schien, bei der die Christen respektvoll ruhig dabeistanden, war einfach überwältigend, als die Nachricht vom Rücktritt Mubaraks unvermittelt eintraf!

Lasst uns allerdings über die Freude hinaus nicht die Realität vergessen: im Artikel ist es detailierter ausgeführt - die "Muslimbrüder" sind in ihrer Ausrichtung im Freudentaumel über den Ausgang der Demonstrationen und auch schon währenddessen mehr oder weniger untergegangen. Doch was sie letztendlich wollen, ist die Einführung der Scharia, des islamischen Rechts. Das würde erneut Unfreiheit für die Bevölkerung bedeuten, ganz besonders für die Christen, die jetzt schon Schlimmes im Land auszustehen haben.

Ein zweites, großes Fragezeichen ist Israel. Einmal mit an der Macht, werden die Muslimbrüder zusehen, dass die Friedensverträge zwischen Ägypten und Israel so schnell wie möglich aufgehoben werden. Und was das bedeutet, brauche ich hier sicherlich nicht auszuführen...
Ägypten: Karten für Christen werden neu gemischt
Christliches Medienmagazin pro, 12. Februar 2011


Demonstrant in Ägypten: Eine neue Regierung
könnte die Islamisierung des Landes vorantreiben. Foto: Al Jazeera English/flickr
Ägyptens Präsident Husni Mubarak ist zurückgetreten. Überall im Land feierten die Menschen diese Nachricht. Dagegen leben die Christen in Ägypten derzeit zwischen Hoffen und Bangen. Der Leiter der "Evangeliumsgemeinschaft Mittlerer Osten", Dr. Reinhold Strähler, sprach vor Mubaraks Rücktritt mit pro über die Lage der Christen vor Ort.

pro: Als Mitarbeiter der Evangeliumsgemeinschaft

Mittlerer Osten (EMO) waren Sie bis vor wenigen Tagen selbst noch in Ägypten. Wie haben Sie die Situation vor Ort erlebt?

Reinhold Strähler: Ich bin noch vor Ausbruch der Demonstrationen nach Ägypten gekommen und habe miterlebt, wie sich die Aufstände Ende Januar langsam hochschaukelten. Ich war im Süden Ägyptens. Dort gab es nur ab und zu Demonstrationen. Unsere Mitarbeiter aus Ägypten, Deutschland und Finnland waren insgesamt sehr besorgt, auch weil tagelang die Mobilfunknetze abgeschaltet wurden und das Internet nicht zugänglich war. Zudem wusste niemand, wie sich die Situation weiterentwickeln würde. Es gab gerade zu Anfang der Aufstände Berichte von Plünderungen in Kairo, Alexandria und anderen Städten. Bei uns im Süden ist es dagegen weitgehend ruhig geblieben. In der Nähe unseres Aufenthaltsortes ist allerdings eine Polizeistation in Brand gesetzt worden.

Wie geht es den Christen in Ägypten im Moment?

Die Lage der Christen in Ägypten ist schon seit Jahren schwierig. Es gibt dort eine offiziell akzeptierte christliche Minderheit von 10 bis 15 Prozent der Bevölkerung. Diese Gläubigen werden zwar in mancher Hinsicht diskriminiert, aber nicht verfolgt. Dennoch kommt es immer wieder zu dramatischen Übergriffen auf Christen, etwa in Nachbarschaftsstreitereien. Diese sind oft nur ein Vorwand, um den Gläubigen etwas anzutun. Dann werden Häuser niedergebrannt oder sogar Menschen getötet. In solchen Situationen wird deutlich, dass Christen in Ägypten benachteiligt sind und nicht geschützt werden. Dass sie oft zur Zielscheibe des Hasses werden, hat nicht zuletzt der Anschlag gegen Kopten in der vergangenen Silvesternacht gezeigt. Eindeutig von Verfolgung können wir sprechen, wenn Menschen aus islamischem Hintergrund zum Glauben an Jesus Christus kommen. Rechtlich dürfen sie diesen Schritt gar nicht vollziehen. Auf den offiziellen Dokumenten ist die Religionszugehörigkeit vermerkt und diese lässt sich nicht ändern. Solche Christen mit islamischem Hintergrund werden inhaftiert, verlieren ihre Arbeitsstelle, ihren Ehepartner und die Kinder oder werden anderweitig schikaniert und gefoltert.

Nach den Anschlägen auf Kopten in der Silvesternacht und Ende Januar hat sich die ägyptische Regierung offensichtlich bemüht, die Verbrechen aufzuklären und ist der christlichen Minderheit, auch auf internationalen Druck hin, spürbar entgegen gekommen. Wäre es für die Christen nicht besser gewesen, wenn es gar keine Aufstände gegeben und die Regierung ihre Arbeit fortgesetzt hätte?

Sie formulieren hier die Hauptsorge der Christen in Ägypten: Wenn die Karten jetzt komplett neu gemischt werden, was kommt dann am Ende dabei für die Christen heraus? Gerade die koptisch-orthodoxe Kirche hat sich immer sehr stark hinter das Regime von Präsident Mubarak gestellt und jüngst etwa dazu aufgerufen, sich nicht an den Demonstrationen zu beteiligen. Der Hintergrund ist: Diese Kirche hat einen gewissen Status vom Staat zugesprochen bekommen, dieser wiederum hat dafür erwartet, dass die Christen ihm gegenüber loyal sind. Die Frage ist nun: Wird dieses Geflecht so bestehen bleiben, oder verlieren die Christen ihre wenigen Rechte auch noch?

Wie wird es kommen?

Schwer zu sagen. Ich sehe die jetzige Situation eher kritisch. Die Muslimbrüder könnten mehr Einfluss gewinnen und deren Ziele sind hinlänglich bekannt. Sie wollen zurück zum Islam und mehr von der Scharia verwirklichen. Zudem sind die Muslimbrüder die am besten organisierte und stärkste Kraft in der Oppositionsbewegung. In einer neuen Regierung werden sie mitbestimmen und sich sicher nicht für mehr Demokratie und Freiheit einsetzen...

...20 bis 30 Prozent der Wählerstimmen hätten die radikal-islamischen Muslimbrüder laut der Deutschen Presse-Agentur im Moment...

Das ist nicht die Mehrheit, aber sie wären wegweisend dabei. Die restliche Oppositionsbewegung ist teils liberal oder nationalistisch, sympathisiert teilweise mit westlichen Werten und sehnt sich nach Freiheit. In diesem Sammelsurium hätten die Muslimbrüder ein starkes Gewicht. Wenn es wirklich so weit kommt, wird die Situation für die Christen möglicherweise noch schwieriger als in der Vergangenheit.

Der Nordafrika-Experte Hauke Hartmann hat jüngst vor Islamophobie gewarnt. Die Muslimbrüder würden, so sie denn an die Macht kämen, vor allem die Korruption bekämpfen und für den Ausbau des Bildungssystems sorgen.

Natürlich will die Muslimbruderschaft in solchen Bereichen konsequent vorgehen und sich in positiver Weise einsetzen. Das hat sie schon in den vergangenen Jahren getan. Aber wir dürfen die wahre Intention dieser Bewegung nicht verharmlosen. Vergessen wir nicht: Ihr vorrangiges Ziel ist es nicht, armen und unterdrückten Menschen zu helfen, sondern den Staat stärker islamisch zu prägen. Am Ende könnte dies zu einer noch stärkeren Unterdrückung als bisher führen.

Vor zwei Wochen haben die ersten Aufstände begonnen. In dieser Zeit sind in Ägypten rund 300 Menschen ums Leben gekommen. Was bringen die kommenden zwei Wochen?

Ich hoffe und bete, dass die Opposition mit der Regierung in ernsthafte Verhandlungen eintritt und dass es zu einer friedlichen Veränderung kommt.

Die iranische Regierung hat die Aufstände als Beginn eines islamischen Zeitalters gefeiert. Der Westen feiert eher den Auftakt zu einem Demokratisierungsprozess. Was ist wahr?

In welche Richtung es gehen wird, kann derzeit niemand sagen. Es könnte jedoch durchaus sein, dass es in Zukunft einen stärkeren islamischen Einfluss geben wird. Die Christen Ägyptens würden dies nicht begrüßen. Allerdings gibt es unter ihnen ein starkes geistliches Leben das sich in einer Vielzahl von Initiativen ausdrückt, etwa im Bereich der Medien. Es ist einiges in Bewegung in Ägypten, und ich bin sicher, dass die Christen auch mit den neuen Herausforderungen umgehen können.

Die Fragen stellte Anna Wirth.

Hier ein weiterer Artikel über die Muslimbrüder

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