Israel und der Bibi-Effekt
von Aviel Schneider, Juni-Ausgabe von Israel Heute


Seit dem Regierungswechsel in Israel scheint die Welt in Panik zu sein. Als ob ein Friede im Nahen Osten wegen des rechtsorientierten Koalitionsbündnisses unter Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nun endgültig am Horizont verschwindet.

Häufig sind Warnungen, Drohungen und apokalyptische Szenarien gegen Israel zu hören, wenn sich Netanjahus Regierung in Jerusalem den Richtlinien der internationalen Gemeinschaft nicht fügt. Immer wieder wird Israel wegen Netanjahu in eine bestimmte politische Ecke gedrängt. "Ich denke, dass der Westen Israels neue Regierung missversteht", sagte Prof. Eytan Gilboa vom Jerusalemer Begin-Sadat-Institut für strategische Politikwissenschaft zu israel heute. "Israels vorige Regierung war eine Regierung der Tauben (links). Und diese hat trotz der Zustimmung zu einer Zwei-Staaten-Lösung keinen Friedensfortschritt mit den Palästinensern erreicht!", meinte der Experte für internationale Wissenschaft und amerikanische Nahostpolitik. Der Bibi-Effekt!

Aus Washington wurde Israel im April signalisiert, dass die jährliche Finanzhilfe (von 3 Mrd. Dollar) nicht ausgezahlt wird, sollte es keine Fortschritte gegenüber den Palästinensern geben. Darüber hinaus drohte Rahm Emanuel, Barack Obamas Stabschef im Weißen Haus, gegenüber der israelischen Zeitung Yediot Ahronot: "Egal wie und mit wem, bis spätestens in vier Jahren muss ein Abkommen stehen!" Washington verlangt von Israel, den Atomsperrvertrag zu unterzeichnen, wenn es auf den amerikanischen Einsatz besteht, den iranischen Atomreaktor zu stoppen. Israel ist darüber überrascht, denn dies ist eine neue US-Stellung in den israelisch-amerikanischen Beziehungen. Wenn nun Israel US-Unterstützung gegen die nukleare Aufrüstung Irans begehrt, muss es zuvor die jüdische Siedlungspolitik in den sogenannten besetzten Gebieten stoppen. "Buscheir oder Jitzhar: Entweder der iranische Atomreaktor, oder die jüdische Siedlung Jitzhar." Washington stellt eine Atombombe (Buscheir) und eine jüdische Siedlung (Jitzhar) sprachlich auf eine Ebene. Ungeachtet aller Widerstände der neuen israelischen Regierung hält die US-Regierung daran fest, einen selbstständigen Palästinenserstaat zu schaffen. "Eine Zwei-Staaten-Lösung ist die einzige Lösung", sagte der US-Sondergesandte für den Nahen Osten, George Mitchell, Mitte April nach einem Gespräch mit Palästinenserchef Abbas in Ramallah. "Die USA fühlen sich der Gründung eines souveränen und unabhängigen Palästinenserstaates verpflichtet."

Iran und "Palästina"
Nicht der israelisch-palästinensische Konflikt ist laut Gilboa und anderen Nahost experten das Problem, sondern ein nuklearer Iran. "In Europa und Nordamerika meint man, dass nur eine israelisch-palästinensische Konfliktlösung die arabische Welt mobilisieren kann, den Westen gegen die iranische atomare Aufrüstung zu unterstützen", meint Gilboa. "Solch eine Behauptung ist Blödsinn und beweist, dass die arabische Welt eine Atombedrohung seitens des Irans nicht fürchtet. Die arabische Welt will das Atomproblem bis zu einem Frieden mit den Palästinensern aufschieben." Angesichts des politischen Kurswechsels steht zu befürchten, dass Washington und Europa wegen der Siedlungspolitik Israels dessen Existenzberechtigung in Frage stellt. Denn die iranische Ankündigung, Israel zu zerstören, hat wegen der Anstrengungen des Landes zum Bau der Atombombe eine ernstzunehmende Dimension. Die Bombe markiert für Israel die rote Linie. Sie muss unter allen Umständen verhindert werden. "Fünf Jahre lang verhandelte Europa mit dem Iran, um zu erreichen, dass der Prozess der Herstellung von Nuklearwaffen beendet wird. Ohne Erfolg", klagt Gilboa. "Verhandlungen führt man mit Rübe und Stecken. Doch Europa fütterte den Iran immer nur mit Zucker, ohne Sanktionen. So kommt es, dass der Iran sich durch Europa nicht veranlasst sieht, seine Atompläne aufzugeben." Iran und Pakistan sind israelischen Sicherheitsexperten gemäß die gefährlichsten Staaten, denn beide sind Nuklearmächte. Gilboa warnt: "Von diesen Ländern können nukleare Waffen leicht in die Hände islamischer Terroristen gelangen. Nicht nur Israel ist dann bedroht, sondern ebenso Europa und der übrige Westen."

EU: Keine Intensivierung ohne Palästinenserstaat
Stattdessen hat die Europäische Union die geplante Intensivierung ihrer Beziehungen zu Israel gebremst. "Wir glauben nicht, dass die Zeit reif ist, um über das derzeitige Beziehungsniveau hinauszugehen", meinte EU-Außenkommissarin Benita Ferrero- Waldner. Damit will die EU unmissverständlich Druck auf die Regierung Israels ausüben, die gewisse Vorstellungen von einem Frieden und eine Zwei-Staaten-Lösung ablehnt. Mit anderen Worten: Für eine Intensivierung der Beziehungen zur EU muss Israel einem Palästinenserstaat zustimmen, obwohl die EU Israel im Juni 2008 die Intensivierung der Beziehungen ohne Vorbedingungen zusagte. "Europa unterschätzt den Iran und die von ihm ausgehende nukleare Gefahr im Nahen Osten", so Gilboa. "Es ist scheinbar leichter, Israel als den Iran zu beeinflussen."

Aus diesem Grund machte sich Israels Außenminister Avigdor Liebermann auf und besuchte Europe. "Seit den Osloer-Vereinbarungen 1993 haben etliche linksorientierte Regierungen sehr große Anstrengungen unternommen, eine dauerhafte Regelung für den Frieden zu finden," sagte Liebermanngegenüber israel heute wenige Tage vor seiner Europareise. "Wir haben die Hälfte von Judäa und Samaria sowie den Gazastreifen aufgegeben. Wir ahben tasuende Juden umgesiedelt und Milliarden Schekel in die Palästinensergebiete investiert. Aber trotzdem ist der Friedensprozess blockiert. Daher helfen uns die bisher gegebenen Antworten nicht weiter. Es ist ein Missverständnis, dass Besatzung und Siedlungen die Ursache für den Konflikt zwischen Israel und Palästinensern sind. Wir haben keine Wahl, wir müssen umdenken."

EU glaubt an einfache Lösungen
Arabische Staatsführer erzählen ihren europäischen Kollegen, dass die Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts die alleinige Lösung aller Probleme auf der Erde ist. "Das prägt die europäische Politik," meint Gilboa. "Es war Palästinenserchef Mahmud Abbas, der vor fünf Jahren US-Präsident George W. Bush überredete, die Hamas and den palästinensischen Autonomiewahlen teilnehmen zu lassen. Keiner sah damals voraus, dass die Hamas die Wahlen gewinnen würde." Dies sei nur ein Beispiel von vielen dafür, wie sich der Westen von den arabichen Politikern an der Nase herumführen lässt. "Europa muss mit Netanjahus Nahostpolitik unzufrieden sein, denn europa glaubt an einfache Lösungen," erklärt der Wissenschaftler. "Ferner muss europa vorsichtig sein, seine eigenen muslimischen Bevölkerungsteile nicht zu verärgern. Eine harte Linie Europs gegenüber Israel stellt die muslimischen Bürger zufrieden. Daher fühlt sich Europa einer antiisraelischen haltung verpflichtet."


Friedensschancen laufen nicht davon
"Irsael muss die bisherigen Friedensvereinb arungen akzeptieren. Wenn nicht, wird es für einen zukünftigen Krieg im Nahen Osten verantwortlich sein," warnte Palästinenserchef Mahmud Abbas im April. Er selbst will den Staat Israel auf keinen Fall als einen Judenstaat anerkennen. Und er sagt, dass die Friedensgespräche nur wiederaufgenommen werden, wenn Israel einen unabhängigen Palästinenserstaat anerkennt. Die bisherigen Vereinbarungen haben nichts eingebracht, und so sucht Netanjahus Regierung nach einer neuen Friedensformel. "Israel muss jetzt eine Entscheidung treffen: Entweder es intergriert sich in die Region - oder es bleibt eine isolierte Festung," sagte der jordanische König Abdullah II vor dem US-Zentrum für strategische und internationale Studien." "Uns bleibt keine Zeit mehr für einen neuen endlosen Nahostprozess. Dies ist die letzte Chance für einen Frieden, bevor ein Krieg ausbricht, der die ganze Region erfasst!"

Aber Israel lässt sich keine Angst einjagen. Chancen für den Frieden laufen nicht davon! Das palästinensische Volk muss entscheiden, wer es regieren soll: Hamas, Fatah oder eine pragmatische Führung. Auch wenn Israel aus dem sogenannten Westjordanland abziehen und mit den Palästinensern ein Ab kommen schließen würde, würde dies nicht zum Ziel führen, solange Iran die Hamas im Gazastreifen und die Hisbollah im Südlibanon beherrscht, meint Gilboa. Wer kann garantieren, dass in Judäa und Samaria kein fanatisches Hamasregime wie im Gazastreifen errichtet wird? Niemand. Selb st die Palästinenser von Ramallah, Jericho, Nablus und anderen Städten haben davor Angst.

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