Israelische Zeitung kritisiert deutsche Öffentlichkeit
Von U. Sahm, Israelnet, 20.10.10

JERUSALEM / BERLIN (inn) - Israels Massenblatt "Jediot Aharonot" hat am Mittwoch eine scharfe Kritik an der Haltung deutscher Politiker und der deutschen Medien zu Israel veröffentlicht. Aktueller Anlass ist der erste Solidaritäts-Kongress mit Israel am 31. Oktober in Frankfurt, wo sich laut Veranstalter jene treffen werden, "die es heute noch wagen, öffentlich ihre Freundschaft zu Israel" zu bekunden.

Im vergangenen Jahrzehnt und verstärkt seit dem Amtsantritt von Bundeskanzlerin Angela Merkel habe sich ein "präzedenzloser Erdrutsch" gegen Israel in Bewegung gesetzt, schreibt Eldad Beck, der Berlin-Korrespondent der "Jediot Aharonot".

Israelische Politiker behaupten, dass Deutschland der beste Freund Israels in Europa sei. Seit der Wahl Barack Obamas behaupten sie gar, dass Deutschland gar der beste Freund Israels in aller Welt sei. Beck bezweifelt diese "Wirklichkeit", obgleich Merkel deutlicher als jeder frühere Kanzler auf der Seite Israels stehe. Richtig sei auch, dass sich unter Merkel die militärische, wirtschaftliche und wissenschaftliche Zusammenarbeit verstärkt habe, und sogar die gemeinsame Entwicklungshilfe für Drittländer. Doch die enge Zusammenarbeit beschränke sich laut Beck auf wenige Fachkräfte und geschehe "in großer Abgeschiedenheit".

Kein einziges Kabinettsmitglied der Regierung Merkels habe sich dazu bereit erklärt, zu dem Solidaritäts-Kongress unter dem Motto "Israel ist nicht allein. Als Freund Israels bist Du nicht allein!" zu kommen. "Jeder mit seinen Gründen", schreibt Beck. Selbst jene hätten sich verweigert, die ihre Hand automatisch heben, um die "historische Verbundenheit zum Staat Israel und seiner Sicherheit" zu beschwören.

Bundespräsident Christian Wulff habe im Gegensatz zu seinem Vorgänger beschlossen, Israel im November nur einen "Besuch zum Kennenlernen" abzustatten, also keinen Staatsbesuch mitsamt Rede in der Knesset und einem Aufenthalt in dem von Raketen beschossenen Sderot, wie es Horst Köhler getan hatte. "Weil Jerusalem hartnäckig blieb, änderte Wulff seine Pläne", schreibt Beck.

Liebermans Berlin-Besuch "fast heimlich"
Weiter berichtet der Korrespondent, dass der israelische Außenminister Avigdor Lieberman von einigen Tagen in Berlin "fast heimlich" empfangen worden sei. In der Woche zuvor habe der Außenminister des Sudan einen "sehr medienwirksamen Empfang erhalten".

Das Auswärtige Amt und sein "Medien-Ableger", die Deutsche Welle, planen ein internationales Ereignis unter dem Titel: "Der Beitrag der Medien zum Dialog unter den Kulturen". Dazu seien zahlreiche arabische Medienvertreter eingeladen worden, aber kein einziger israelischer Journalist. Selbst jene Israelis, die den Deutschen über Israel regelmäßig das erzählten, was diese gerne hören wollten, und dafür Stipendien, Einladungen und andere Vergünstigungen erhalten, seien nicht eingeladen worden. Beck nennt keine Namen, dürfte jedoch Israelis wie Avi Primor, Mosche Zimmermann, Uri Avnery und andere meinen. "Was Israel angeht, so ist die Pressefreiheit in Deutschland sehr eingeschränkt", behauptet Beck.

Nicht die jetzige Regierung in Israel sei das Problem, sondern Deutschland selber. Beck präzisiert, dass Deutschland seit Jahren seine Beziehung zu Israel auf Kontakten aufgebaut habe, die weit davon entfernt seien, "die wahre Wirklichkeit in Israel zu repräsentieren".

Deutschland, so Beck, weigere sich, die komplexe Wirklichkeit Israels zu sehen und zu akzeptieren. Es umhege linksgerichtete Israelis, von denen einige sogar "anti-zionistisch" eingestellt seien und schaffe mit deren Hilfe ein Bild Israels als rassistischer, militaristischer und faschistischer Staat. "Deutschland zieht es vor, sich von Israel unter der zweiten Regierung Netanjahus zu distanzieren, weil dieses Israel nicht mehr den deutschen Illusionen entspricht."

Abschließend ruft Beck die israelischen Verantwortlichen auf, zu verhindern, dass diese oder jene Tatsachen des Nahen Ostens die Deutschen in die Irre führten, "denn sie (die Deutschen) wissen, was gut für die Welt und für uns (Israelis) ist".

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