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Christliche Eltern vergeben dem Mörder ihrer Kinder
von Evangelische Nachrichtenagentur idea, 06. Oktober 2006


N i c k e l M i n e s (idea) - Bei der Beerdigung der fünf Mädchen, die am 2. Oktober in einer Schule der christlichen Amisch-Gemeinschaft in Nickel Mines (US-Bundesstaat Pennsylvania) erschossen wurden, sind weitere Einzelheiten der Bluttat bekannt geworden. Der 32-jährige LKW-Fahrer Charles C. Roberts, der sich selbst richtete, hatte seine Tat von langer Hand minutiös geplant.

Amische Pferdekutsche

In Abschiedsbriefen an seine Frau, mit der er drei Kinder hat, schrieb er, er sei voll Hass gegen sich selbst und gegen Gott. Er nimmt unter anderem Bezug auf den Tod seiner früh geborenen Tochter Elise vor neun Jahren. Außerdem habe er sich vor 20 Jahren an zwei Mädchen aus der Nachbarschaft vergangen. Vermutungen, dass Roberts auch Amisch-Schülerinnen sexuell belästigt habe, bestätigten sich nicht. Bei seinem Überfall schickte er alle Jungen und Erwachsenen aus dem Klassenraum, fesselte die Mädchen und richtete sie vor der Schultafel hin. Als die Polizei eintraf, gab er sich selbst die Kugel. Roberts tötete fünf Mädchen zwischen sieben und 13 Jahren. Sechs wurden schwer verletzt.

Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder ...
Schon vor den Trauerfeiern am 5. und 6. Oktober hatten einige Amische erklärt, dass sie dem Täter vergeben. Der Vater eines getöteten Mädchens tröstete den Vater des Täters und versicherte ihn der Vergebung. Eine Frau sagte, je schneller man vergebe, desto besser werde man über die Tragödie hinweg kommen. Mit dem Schicksal zu hadern, sei nicht nur sinnlos, sondern auch Gotteslästerung. Bei den etwa eineinhalbstündigen Trauerfeiern mit insgesamt rund 500 Teilnehmern wurden keine Kirchenlieder gesungen, sondern nur gepredigt und Bibeltexte verlesen. Dabei ging es um das Jesus-Wort „Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen“ (Matthäus 18,3). Die Toten lagen mit weißen Kleidern angetan in einfachen Fichtenholzsärgen.

Abspaltung von Mennoniten
In Pennsylvania leben rund 55.000 Amische. Die pazifistische bäuerliche Gemeinschaft lehnt moderne Technik wie Autos und Elektrizität ab. Die Amischen fahren Pferdekutschen und tragen selbst geschneiderte Tracht. Sie gehen auf die Täuferbewegung des 17. Jahrhunderts zurück. Im Jahr 1693 spalteten sie sich unter Führung des Schweizer Bischofs Jakob Amman, nach dem sie benannt sind, von den Mennoniten ab. Anfang des 18. Jahrhunderts ließen sie sich in den USA nieder. Heute leben dort etwa 225.000 Amische in 22 Bundesstaaten.




Die Antwort der "christlichen Fundamentalisten": Vergebung

Von Philip Geck, jesus.de, 09.10.2006

Zwei Amish-Mädchen nach dem Blutbad in ihrer Kommune
(Bild: dpa).

Es ist ein Zeichen, das die Eltern der ermordetet Mädchen gesetzt haben, und es könnte kraftvoller kaum sein. Bei der Beerdigung ihrer Kinder, die am 2. Oktober in einem amerikanischen Klassenzimmer von einem 32-jährigen Mann hingerichtet worden waren, haben die Eltern dem Mörder die grausame Tat vergeben. Ohne große Gesten, sondern mit einfachen Worten.

Zwar kann der Täter diese Vergebung nach seinem Selbstmord gar nicht mehr in Anspruch nehmen, doch wird sie seinen Eltern sicherlich ein Trost sein. Und auch der restlichen Welt zeigt diese Geste, was Nächstenliebe wirklich ausmacht. Fünf Mädchen, zwischen sieben und dreizehn Jahren alt, sind auf brutalste Weise ermordet worden. Jeder schreit hier nach Rache und Vergeltung für diese unvorstellbare Tat. Doch die Eltern der kleinen Mädchen haben dem Mörder ihrer Kinder vergeben.

Überhaupt muss man sagen: Die Angehörigen der Opfer sind auch sonst nicht „normal“. Denn sie gehören der Religionsgemeinschaft der Amish an. Nicht zuletzt durch den Film „Der einzige Zeuge“ weiß man: Die Amish sind anders. Abgeschieden vom Rest der Welt leben sie in eigenen Kommunen, lehnen technischen Fortschritt ab, tragen altmodische Trachten und sprechen einen fremdartigen Dialekt. In der Religionsgemeinschaft herrscht der strikte Grundsatz der Gewaltlosigkeit.

Der Öffentlichkeit sind diese Menschen eher suspekt. Spiegel Online redet sogar von einer „Sekte“ und nennt die Amish „christliche Fundamentalisten“ – eine Bezeichnung, die heute fast jedem gilt, der in irgendeiner Weise gegen den religiösen Mainstream anschwimmt. Gerade deshalb aber sind diese Zeichen der Vergebung so wichtig. Denn die Amish zeigen, wie voreingenommen und falsch der Begriff „Fundamentalist“ eigentlich ist.

Die Eltern der Opfer haben mit ihrer Haltung alle aufgeklärten Kritiker widerlegt. Und gezeigt, dass nicht jeder, der zu seinem Glauben steht, automatisch ein potentieller Terrorist ist. Auch wenn sie in ihrer „altmodischen“ Art sogar von vielen Christen belächelt werden, sind die Amish in ihrem konsequenten Lebensstil zu bewundern. Denn sie leben ihre Überzeugungen radikal und haben den Mut, wirklich gegen den Strom zu schwimmen. Wer so stark ist und im größtmöglichen Leiden an seinem versöhnenden Lebensstil festhält, der hat meine Hochachtung verdient.


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