Wo Juden nicht beten dürfen
rj, Israel Heute, Ausgabe November 2010


Religiöse Israelis reagierten beinahe euphorisch, als vor ein paar Wochen die Polizei einem Rabbi erlaubte, auf dem Jerusalemer Tempelberg betend niederzuknien. Dieses einfache und übliche Gebetsritual wurde dann in den Medien zum religiösen und politischen "Erdbeben" hochstilisiert.

Als Unbefangener mag man auf diese Meldung ungefähr so reagieren: "Wen interessiert das schon? Das ist doch nur ein Mann, der betet." Man muss sich jedoch bewusst machen, welche religiöse Diskriminierung auf dem Jerusalemer Tempelberg herrscht. Das Areal beherbergt vier Moscheen. Obwohl es für Juden und viele Christen die heiligste Stätte der Welt ist, dürfen sie dort weder Bibeln bei sich haben, noch auf dem Tempelberg beten - aus Angst, die leicht reizbaren Moslems zu provozieren.

Aufkeimende Hoffnungen, dass sich die Gegebenheiten auf dem muslimisch kontrollierten Tempelberg positiv verändern, wurde jäh durch die Verhaftung eines Juden zunichte gemacht. Die islamischen Behörden warfen ihm vor, auf der heiligen Stätte gebetet zu haben, wenn auch nur ganz leise.

Mitglieder derselben Besuchergruppe sagten später gegenüber der israelischen Presse, dass sie von etlichen Polizisten sowie muslimischen Religionswächtern begleitet wurden, während sie sich auf dem Gelände aufhielten. Plötzlich geschah es: gegen Ende der geführten Tour blieb ein Teilnehmer ein paar Schritte abseits stehen. Das muslimische Aufsichtspersonal unterstellte, der jüdische Mann sei am Beten und rief sofort einen israelischen Polizisten hinzu, der den Juden abführte und befragte.

Der Leiter der Gruppe, David Haivri, berichtete, dass die israelische Polizei den jüdischen Besuchern zu Beginn der Tour Folgendes erklärte: "Betet nicht. Zerreißt keine Gewänder. Kniet nicht nieder. Es ist alles verboten, was Moslems als religiöse Handlung deuten könnten."

Dass es sich um eine offenkundige Verletzung der Religionsfreiheit handelt, wird von der internationalen Gemeinschaft ignoriert. Wie oft mahnende Stimmen überhört werden, die darauf hinweisen, dass ein palästinensischer Staat kein Ort sein würde, an dem alle Menschen ihren Glauben frei ausüben können.

Die Politik am Tempelberg übertrifft an Ungeheuerlichkeit der Einschränkungen religiöser Freiheit alles, was man sich vorstellen kann. Der Platz, an dem der Tempel stand, ist für jeden Juden unbestreitbar die heiligste Stätte auf Erden. Und gerade dort, mitten in Jerusalem, dürfen sie noch nicht einmal ein stilles Gebet verrichten.

Nachdem Israel im Jahr 1967 den Tempelberg eroberte, sollte ein Gesetz sicherstellen, dass von nun an Menschen aller Glaubensrichtungen freien Zutritt zu den Stätten haben, die ihnen wichtig sind. Im ersten Artikel heißt es: "Die heiligen Stätten sollen vor Entweihung und anderen Verstößen bewahrt werden. Die Freiheit des Zutritts wird gewahrt für Angehörige verschiedener Religionen zu den Orten, die ihnen heilig sind."

Der oberste Gerichtshof urteilte im Jahr 1993, dass "der Tempelberg die heiligste Stätte in den letzten 3000 Jahren ist, seit König Salomo den ersten Tempel auf dem Berg Moriah errichtete (2. Chronik 3)... Die ursprüngliche Heiligkeit des Tempelbergs bleibt bis in unsere Zeit unvermindert erhalten."

Medienkommentator Jisrael Medadd schrieb 1996, dass trotz dieser höchst richterlichen Anerkennung der jüdischen Verbindung zum Tempelberg ein "Prinzip der Sensibilität" alle nachfolgenden Entscheidungen diktierte. "Weil Moslems den Vorhof des Tempelbergs als ihren exklusiven Herrschaftsbereich betrachten und auf jüdische Äußerungen mit Gewalt reagieren, bestimmt dieses Prinzip der Sensibilität, dass es im Interesse der Öffentlichkeit ist, einen Juden davon abzuhalten, sein legales Recht auszuüben," schrieb Medadd.

Christen und Juden können also den Tempelplatz betreten, allerdings nicht als Juden oder Christen. Vielmehr haben sie dort nur neutrale Touristen zu sein und den moslemischen Oberherren des Platzes in Unterwürfigkeit zu begegnen. Jeder, der sich erlaubt, nicht auf der politisch korrekten Welle mitzuschwimmen, wird erkennen, dass dies die Intention des Islams für alle Nationen ist.