Was bedeutet eigentlich
"unter dem Gesetz?"
Teil II
von Brad Scott, Gründer und Leiter von "Wildbranch Ministry"
Übersetzung Birgit Barandica E.
April 2009


Laut dem ersten Kapitel des Kolosserbriefes wurden alle Dinge durch das Wort von Elohim (Anm: Gott) geschaffen. Die Schrift ist voll von Ausdrücken, die das bestätigen. Das Wort ist Elohim in Jochanan 1,1 (Johannes). Das Wort ist Leben in D'varim 32 (5. Mose) und 1 Jochanan 1,1. Das Wort ist Licht in Mizmor 119,105 (Psalm). Das Wort ist der Weg in Mizmor 119,9. Das Wort ist Gerechtigkeit in D'varim 6 und Römer 6. Das Wort ist Weisheit in Mischlei 4,5 (Sprüche). Das Wort ist Wahrheit in Mizmor 119,142. Alle Dinge wurden durch dieses Wort geschaffen, sagt der Schreiber von Ivrim. Das Wort ist ein allgemeiner Begriff, mit dem auszudrückt wird, was gesprochen und geschrieben steht. Ein wesentlicher Teil des Wortes sind Gebote, Anweisungen, Regeln und Gesetze. Diese verschiedenen Ausdrücke werden allgemein unter dem Begriff "Gesetz" abgelegt. Das Wort Gesetz kommt aus dem griechischen Wort nomos, das wiederum von seinem Vorgänger Thora kommt. Thora hat jedoch nicht die Bedeutung Gesetz, so wie wir es kennen. Es bedeutet Lehre bzw. Anweisung. Thora ist ein anderer Ausdruck für Lehre im Allgemeinen. In der Thora sind Gebote bzw. Mitzvot (Plural von Mitzva = Gebot) enthalten. Das sind die Gebote Elohims für Seine Schöpfung. JHWH gab Seiner Schöpfung Lehre, Anweisungen und Gebote zu dessen Wohl. Genau jene Gesetze, die die ganze Schöpfung in Existenz brachte, sind ebenfalls dafür da, sie zu erhalten, egal ob Mensch oder Tier, sozusagen.

Die Schrift beginnt mit Gesetzen bzw. Befehlen: "... Es werde Licht ... Es werde eine Wölbung mitten im Wasser ... Die Erde lasse Gras hervorsprossen, Kraut, das Samen hervorbringt ... Es sollen Lichter an der Wölbung des Himmels werden ... Lasst uns Menschen machen ..." Diese Befehle brachten Seine gesamte Schöpfung hervor. Dies ist der Beginn von Elohims Thora bzw. Anweisungen zur Schöpfung. Er gab den lebendigen Dingen die Fähigkeit, sich selbst zu reproduzieren bzw. sich fortzupflanzen, einschließlich der Menschheit. Er gibt Seiner Schöpfung weiterhin Anweisungen, nachdem sie erschaffen war, um Seine ursprünglichen Befehle aufrecht zu erhalten. Adam, der erste Mensch, ist durch Gesetze bzw. Befehle entstanden und hat Anweisungen erhalten: "Seid fruchtbar und vermehrt euch, und füllt die Erde, und macht sie euch untertan ... Von jedem Baum des Gartens darfst du essen; aber vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen, davon darfst du nicht essen ..." Warum sagte Elohim zu Adam, dass er nicht von diesem Baum essen soll? Weil du was essen darfst? Mit anderen Worten, Ungehorsam führt zur Trennung von Elohim und der Mensch wird dafür verantwortlich, zwischen Gut und Böse zu wählen; aber wegen seiner nun gefallenen Natur zieht er gewöhnlich das Böse dem Guten vor. Das zieht wiederum Chaos nach sich und wird letztendlich im Aussterben des Menschen enden. Was aber macht JHWH? Er liebt den Menschen. Und um den Menschen zu erhalten, gibt Er ihm Answeisungen bzw. Gesetze. Nicht nur dem Menschen, sondern Seiner gesamten Schöpfung. Seine gesamte Schöpfung ist durch die Thora erschaffen und wird durch sie erhalten.

Die ganze Menschheit stammt von Adam, einer gefallenen Schöpfung, ab und wird nur durch Gesetze erhalten. Aber wie kann der Mensch wieder mit JHWH versöhnt werden, wenn wir diese Gesetze immer wieder brechen? Wie kann der Mensch jemals erlöst werden? Nun, nicht durch das Gesetz. Wieso denn? Weil das Gesetz, also die Anweisungen innerhalb des Wortes, nicht dazu geschaffen war, den Menschen zu erlösen, sondern vielmehr um den Menschen zu erschaffen, ihn zu erhalten und gedeihen zu lassen. Wenn Elohims Anweisungen befolgt werden, dann trennen und unterscheiden sie den Gehorsamen vom Ungehorsamen. Die Anweisungen in Sh'mot 19 (Exodus) sondern JHWHs Volk als einen besonderen Schatz von allen anderen Völkern aus. In D'varim 30 geben sie Gedeihen und langes Leben denen, die gehorchen. In D'varim 11, werden sie dem Gehorsamen zum Segen und dem Ungehorsamen zum Fluch. Die ganze Menschheit wurde durch das Gesetz erschaffen und von ihm gesegnet bzw. verflucht. Da Gebote den Menschen nicht erlösen, musste JHWH ihn auf andere Weise erlösen: DURCH GNADE! Wenn der Mensch die Gnade ablehnt, dann steht er von Natur aus "unter dem Gesetz". Die ganze Menschheit steht unter dem Gesetz, bis sie durch den Glauben unter die Gnade kommt. JHWHs Lehre und Anweisung (Thora) bewirkte die Schöpfung und erhält sie. Die Gnade JHWHs durch Glauben erlöst den Menschen wieder zu Ihm hin. Seine Gnade erlöst den Menschen zu Ihm, aber sie erhält ihn nicht, es sei denn, der Glaube richtet sich nach der Thora. Die Thora erhält den Menschen, aber erlöst ihn nicht zu JHWH hin. Zwei Systeme mit zwei verschiedenen Funktionen. In Anbetracht dessen werden wir jetzt alle zehn Verse behandeln, in denen der Begriff "unter dem Gesetz" vorkommt.

Römer 3,9-19
"Was sagen wir denn nun? Haben wir Juden einen Vorzug? Gar keinen. Denn wir haben soeben bewiesen, dass ALLE, Juden wie Griechen, unter der Sünde sind, 10 wie geschrieben steht: »Da ist keiner, der gerecht ist, auch nicht einer. 11 Da ist keiner, der verständig ist; da ist keiner, der nach Gott fragt. 12 Sie sind ALLE abgewichen und ALLESAMT verdorben. Da ist keiner, der Gutes tut, auch nicht einer (Psalm 14,1-3). 13 Ihr Rachen ist ein offenes Grab; mit ihren Zungen betrügen sie (Psalm 5,10), Otterngift ist unter ihren Lippen (Psalm 140,4); 14 ihr Mund ist voll Fluch und Bitterkeit (Psalm 10,7). 15 Ihre Füße eilen, Blut zu vergießen; 16 auf ihren Wegen ist lauter Schaden und Jammer, 17 und den Weg des Friedens kennen sie nicht (Jesaja 59,7-8). 18 Es ist keine Gottesfurcht bei ihnen (Psalm 36,2).« 19 Wir wissen aber: was das Gesetz sagt, das sagt es denen, die UNTER DEM GESETZ sind, damit ALLEN der Mund gestopft werde und alle Welt vor Gott schuldig sei"
(Anm.: Schriftstellen in Klamemrn stehen bei Luther so eingefügt).

Oftmals höre ich, wie diese Verse benutzt werden, um den Zustand Israels aufzuzeigen, als ob sie unter dem Gesetz stünden und wir (die Gemeinde) unter der Gnade. Jedoch beginnen diese Verse mit der Aussage, dass ALLE, Juden wie Heiden, unter der Sünde stehen! Diese Verse weisen alle auf den Zustand der GESAMTEN Menschheit hin und darauf dass, wenn das Gesetz spricht, es sich an JEDEN Menschen richtet und dass die GESAMTE Welt vor JHWH schuldig ist. Das Gesetz sagt uns, dass wir alle vor JHWH schuldig sind. Gemäß Vers 20 lehrt es, was richtig und was falsch ist. Wir alle sind des Gesetzbruches schuldig, daher sind wir ALLE verloren, es sei denn, JHWH stellt uns einen anderen Weg, auf dem wir erlöst werden. Wenn wir durch den Glauben unter der Gnade stehen, dann lehrt das Gesetz immer noch, was richtig und was falsch ist. In dieser Funktion wurde es geschaffen, wenn es rechtens gebraucht wird (1. Timotheus 1,8). Unter dem Gesetz zu stehen bedeutet, ohne Gnade zu sein und daher dem Gesetz zu unterstehen und somit schuldig zu sein. Es lässt sich hier keine Lehre darüber ableiten, dass das Gesetz den alttestamentlichen Juden galt oder dass sie durch eben jenes Gesetz erlöst würden. Bedenke, dass, wann immer Scha'ul (Paulus) lehrte, die Beröer jedes seiner Worte anhand des Alten Testamentes überprüften. Es gab kein Neues Testament, anhand dessen seine Worte hätten geprüft werden können.

Römer 6,14-16
"Denn die Sünde wird nicht herrschen können über euch, weil ihr ja nicht unter dem Gesetz seid, sondern unter der Gnade. 15 Wie nun? Sollen wir sündigen, weil wir nicht unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade sind? Das sei ferne! 16 Wisst ihr nicht: wem ihr euch zu Knechten macht, um ihm zu gehorchen, dessen Knechte seid ihr und müsst ihm gehorsam sein, es sei der Sünde zum Tode oder dem Gehorsam zur Gerechtigkeit?"

Vers 14 ist wahrscheinlich derjenige, der am meisten zitiert wird, wenn es darum geht, die Doktrin zu erklären, dass Jeschua starb, um die Gemeinde von den alttestamentlichen Gesetzen zu befreien. Es ist absurd; es ist genau das, was ich 'Wiegen-Hermenteutik' nenne. Diese Diskussion ist eine von Hunderten von Stellen, an denen Grundkenntnisse der hebräischen Sprache und Formulierungen vonnöten sind, um den Text zu verstehen. Aber selbst ohne solche Grundkenntnisse wirst du erkennen können, dass sich der Fokus in den nächsten beiden Kapiteln auf den "alten Menschen" aus Römer 6,6 richtet. Scha'ul beginnt in Kapitel 6 damit, seinen Zuhörern, die sich aus Juden und Heiden zusammensetzen, zu erklären, dass sie nun "für die Sünde tot" sind (Vers 2). Das wurde durch das Identifizieren mit Jeschuas Taufe erreicht, was dem Tod der sündigen Natur entsprach, der Leib der Sünde, auch der alte Mensch genannt. Hier wurde der Leib der Sünde gekreuzigt, nicht das Gesetz. Wenn du nicht unter der Gnade stehst, dann bleibt dir nur das Gesetz, welches bei Übertretung Sünde produziert. Somit wirst du zum Sklaven der Sünde und wirst von ihr beherrscht. Nicht, weil du ihr gehorchst, sondern weil du ihr nicht gehorchst! Sie wird zu deinem einzigen Herrn. Dieser alte Mensch ist die alte Natur, die Natur Adams. Im hebräischen Denken wird sie "yetzer hara" genannt, böser Trieb. Dieser alte Mensch muss dem Gesetz gehorchen, denn er hat keinen anderen Herrn und somit befindet er sich unter der Herrschaft der Sünde, denn er bricht das Gesetz. Mit anderen Worten, er benutzt das Gesetz auf eine Weise, wofür es nicht geschaffen worden war. Im Englischen gibt es den Ausdruck: "mein alter Mann" (man = Mann, aber eben auch Mensch), womit eine Frau sich auf ihren Ehemann bezieht. Es heißt, dieser Ausdruck würde sich vom biblischen alten Menschen her ableiten. Mit anderen Worten: sie bezieht sich auf einen Ehemann, den sie niemals zufriedenstellen kann. Der Kontext ist hier also die Kreuzigung des alten Menschen, bzw. des Sündenleibes, womit man "der Sünde gestorben ist". In den Versen 11 bis 13 lehrt Paulus, dass wir die Sünde nicht mehr über unseren sterblichen Körper herrschen lassen sollen. Bedenke, dass in 1. Jochanan 3,4 die Sünde mit Missachtung der Thora beschrieben wird. Er sagt ebenfalls, dass wir JHWH unseren Körper wie ein Werkzeug der Gerechtigkeit zur Verfügung stellen sollen. Wenn wir zu Vers 14 weitergehen, erkennen wir, dass unter dem Gesetz stehen ein Synonym ist für unter der Herrschaft der Sünde sein, also nicht der Thora. Noch einmal: die Thora lehrt, was Sünde ist. D.h. die Thora IST NICHT die Sünde. Unter der Gnade zu stehen bedeutet, Sklave dessen zu sein, was gerecht ist und dass man nun von der Sünde befreit ist (Römer 6,18). Nun haben wir die Macht, JHWH zu dienen und nicht der Sünde.

Scha'ul beginnt Kapitel 7 damit, indem er sich an diejenigen wendet, die die Thora kennen. Für diese Geschwister setzt sich das aus schriftlicher und mündlicher Thora zusammen, aber das ist ein Thema für ein anderes Mal. Er sagt: "Oder wisst ihr nicht, Brüder - denn ich rede zu denen, die das Gesetz kennen -, dass das Gesetz über den Menschen herrscht, solange er lebt?" Hier richtet er sich jetzt also mit seiner Lehre an diejenigen, die die Kultur kennen. Er beginnt damit, indem er eine Geschichte gebraucht, die in jüdischen Erzählungen bekannt ist. "Denn die verheiratete Frau ist durchs Gesetz an den Mann gebunden, solange er lebt; wenn aber der Mann gestorben ist, so ist sie losgemacht von dem Gesetz des Mannes." Die Thora lehrt also, dass ein Ehevertrag ewig gilt oder bis der Ehemann stirbt. Das Gesetz besagt, dass wenn die Frau sich zur Ehe entscheidet, sie mit dem Mann ihrer Wahl verheiratet bleiben muss. Das Gesetz besagt ebenfalls, dass sie frei von ihm ist, wenn er stirbt. Wer ist denn der Mann? Das Gesetz? NEIN! Paulus hat uns doch gerade in Kapitel 6 erklärt, dass der Mann (Mensch) der Leib der Sünde ist. Lass uns also diese Erzählung dahingehend interpretieren, wie sie von denen verstanden wurde, die das Gesetz kannten. Der Ehemann ist der Leib der Sünde, unter dem Gesetz, der nie zufriedengestellt werden kann. Laut Gesetz muss sie mit ihm verheiratet bleiben. Wenn sie versucht, einen anderen zu heiraten, d.h. die Gnade, während sie noch mit ihrem ersten Ehemann, dem Leib der Sünde, verheiratet ist, dann ist sie eine Ehebrecherin, denn sie kann nicht zwei Herren gleichzeitig dienen. Wenn sie laut Gesetz der Sünde stirbt, d.h. der alte Mann stirbt, dann ist sie frei, einen anderen zu heiraten.

Das Gesetz wird zum Fluch, wenn es übertreten wird und produziert den Leib der Sünde, den alten Menschen, der niemals zufriedengestellt werden kann. Unter dem Gesetz zu stehen bedeutet, ohne Gnade zu sein und unter der konstanten Herrschaft der Sünde, des alten Menschen. Im gesamten Kontext von Römer 6 lässt sich keine Lehre erkennen, nach der die Juden unter dem Gesetz stünden und die Gemeinde nun unter der Gnade sei. Ganz klar stehen wir ALLE unter der Herrschaft der Sünde, bis wir JHWHs wunderbare Gnade annehmen. Ich erkenne nur zwei mögliche Wege. Wenn man die Gnade ablehnt, dann steht man unter dem Gesetz und ist daran gebunden. Wenn das Gesetz jedoch geschaffen wäre, um Menschen zu retten, dann gäbe es keine Notwendigkeit für die Gnade.

Das nächste Mal werden wir mit dieser Exposition bei den restlichen acht Versen fortfahren, in denen der Begriff "unter dem Gesetz" vorkommt.

Schalom Alechem!

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