Was bedeutet eigentlich
"unter dem Gesetz?"
Teil III
von Brad Scott, Gründer und Leiter von "Wildbranch Ministry"
Übersetzung Birgit Barandica E.
April 2009


Wow! Dieser Teil ließ lange auf sich warten. Aus verschiedenen Gründen konnten wir nicht hier sein und entschuldigen uns bei unseren treuen Lesern für die lange Pause. Danke für eure Geduld! Nun gut, wo waren wir stehengeblieben? Ach ja, wir waren mitten im Thema "unter dem Gesetz". Das ist ein mir sehr wichtiges Thema. Ich glaube, dass es eine von der modernen christlichen Lehre oft gebrauchte, fundamentale Formulierung ist, die letztendlich mit zum derzeitigen Verfall der Moral in unserer Kultur beigetragen hat. Wie ich bereits sagte, kommt sie an zehn Stellen in der Brit Chadaschah vor. Drei davon haben wir bereits behandelt (Römer 3,19. 6,14-15) und nun werden wir uns in einen etwas abweichenden Kontext begeben: 1. Korinther 9,20. Erinnern wir uns zunächst an Römer 3 und 6, wo uns zwei eindeutige Erkenntnisse gezeigt werden: Wir stehen ALLE unter dem Gesetz, bis wir unter die Gnade kommen. Und unter dem Gesetz zu stehen bedeutet, unter der Herrschaft der Sünde zu sein.

In 1. Korinther 9,19-22 finden wir den populären Vortrag von Scha'ul über seinen Wunsch, allen alles zu sein, damit er auf jeden Fall einige retten könne. Dies allein wurde irrtümlicherweise dafür benutzt, um das unmoralische Verhalten einiger zu rechtfertigen, aber das ist hier nicht wirklich unser Thema. Für unser Studium müssen wir uns zuerst die Verse 19-22 anschauen. Hier ist der Text:

Vers 19
"Denn obwohl ich frei bin von jedermann, habe ich doch mich selbst jedermann zum Knecht gemacht, damit ich möglichst viele gewinne.

Vers 20
Den Juden bin ich wie ein Jude geworden, damit ich die Juden gewinne. Denen, die unter dem Gesetz sind, bin ich wie einer unter dem Gesetz geworden - obwohl ich selbst nicht unter dem Gesetz bin -, damit ich die, die unter dem Gesetz sind, gewinne.

Vers 21
Denen, die ohne Gesetz sind, bin ich wie einer ohne Gesetz geworden - obwohl ich doch nicht ohne Gesetz bin vor Gott, sondern bin in dem Gesetz Christi -, damit ich die, die ohne Gesetz sind, gewinne.

Scha'ul beginnt mit der Feststellung, dass er nicht von irgendwelchen Menschen kontrolliert oder geleitet wird, sondern er ist Diener aller Menschen, um sie zu gewinnen. Es ist seine Absicht, ihr Vertrauen zu erlangen. Das tut er, indem er sich in sie hineinfühlt. Er kommt ihnen in ihren Perspektiven entgegen, ihren Ansichten und Bedürfnissen. Damit sagt er beileibe nicht, dass er ihr Verhalten annimmt oder sogar auf mystische Weise so wird, wie sie. Das bestätigt er in seiner ersten Aussage: "den Juden bin ich wie ein Jude geworden". Ausdrücklich sagt Scha'ul mehrfach, dass er Jude IST, bzw. Jude geblieben ist. Er ist also bestimmt kein Jude geworden, um Juden zu gewinnen. Er setzt den Juden auch nicht mit dem unter dem Gesetz Stehenden gleich. Das sagt er separat. Ansonsten handeln diese Aussagen von verschiedenen Situationen, denen Sha'ul während seines Dienstes begegnet. Ganz offensichtlich läuft er vor niemandem weg bzw. schreckt vor nichts zurück. Er bemüht sich, die Umstände der Menschen zu verstehen. Er lehrt nicht, dass er bei den Säufern zum Säufer wird, sondern er meint damit, dass er sich nicht abwendet, weil sie betrunken sind. So dient er dem Betrunkenen in der Welt der Trinker. Er begegnet denen, die unter dem Gesetz stehen, auf der Ebene ihrer Denkweise, er berücksichtigt ihre Einstellung und die Art ihrer Probleme. Bedenke, dass diejenigen, die unter dem Gesetz stehen, Juden genauso wie Heiden sein können, die sich entschieden haben, Gottes Geschenk der Gnade abzulehnen und lieber unter der Herrschaft der Sünde bleiben, weil sie das Gesetz nicht halten können. Scha'ul steht nicht unter dem Gesetz, denn er ist dem Messias begegnet und hat seinen eigenen Zustand erkannt und JHWHs Gnade empfangen. Unerschrocken eifert er danach, diejenigen zu gewinnen, die ohne das Gesetz leben, es aus welchem Grund auch immer nicht kennen. Dann sagt er: "...obwohl ich doch nicht ohne Gesetz bin vor Gott, sondern bin in dem Gesetz des Messias." Dies ist etwas schwierig zu verstehen, denn Scha'ul gebraucht hier eine doppelte Verneinung. Er meint damit einfach, dass er sich nicht außerhalb der wahren Thora Gottes bewegt, die unter dem Gesetz des Messias steht. Vielleicht wäre es besser zu sagen, dass er nicht am Buchstaben des Gesetzes klebt, sondern dem Geist des Gesetzes anhängt. Buchstabe und Geist des Gesetzes ist ein typisch hebräisches Konzept, das ich später noch erläutern werde. Scha'ul zeigt sich denen schwach, die selbst schwach sind. Das ist, denke ich, ein Hinweis auf diejenigen, um die es in Römer 14,1-12 geht. Alles, was Scha'ul hier meint, ist dass er für alle ein Zeuge des Messias ist, egal, wie deren Lage auch sein mag. Diese Passagen lehren nicht, dass Juden diejenigen wären, die unter dem Gesetz stünden bzw. dass unter dem Gesetz stehen bedeute, der Thora zu gehorchen.

Nun ist es an der Zeit, einige der schwierigeren Fragen anzugehen. Am meisten kommt die Formulierung "unter dem Gesetz" im Galaterbrief vor. Ich möchte für die Formulierung eine Basis legen, bevor wir zu diesen sehr missverstandenen Versen kommen. Zunächst müssen wir beachten, an wen Scha'ul sich mit seinem Anliegen wendet. Er schreibt an gläubige Heiden, die von EINIGEN jüdischen Gläubigen in den Glauben hineingetäuscht worden waren, dass man nur dann in Gottes Reich käme, bzw. dort bleiben könne, wenn man Thorawerke vorweisen kann. Am Anfang des dritten Galaterkapitels erinnert Scha'ul sie daran, dass sie den Geist Gottes nicht durch Thorawerke bekommen hätten und dass sie Ihn auch nicht durch Thorawerke behalten können. Die Thorah wurde nicht dafür geschaffen, und war es auch nie gewesen, um den Menschen vor Gott zu rechtfertigen, sondern es ist der Glaube, der den Menschen vor Gott rechtfertigt. Scha'ul sagt weiterhin, dass wenn der Mensch durch die Thora gerechtfertigt wäre, dann müsste er sich an ALLES halten, was in der Thora steht, was ihm jedoch unmöglich ist (Galater 3,10-12). Denke daran, dass du unter dem Gesetz stehst und von ihm abhängig bist, wenn du Gottes Gnade ablehnst. Scha'ul erläutert, dass das Gesetz dann zum Fluch wird, anstatt zum beabsichtigten Segen. In D'varim 11 (5. Mose 11) steht, dass du gesegnet bist, wenn du das Gesetz befolgst und verflucht, wenn du es missachtest. So ist das Gesetz NUR DANN ein Fluch, wenn es missachtet wird. Wenn der Zutritt zum Reich Gottes von unserem Gehorsam dem Gesetz gegenüber abhinge, das niemand von uns zu halten vermag, dann wären wir alle verflucht und verloren. Das haben wir bereits in Römer 3 gesehen und werden es im letzten Teil dieser Erörterung noch einmal sehen. Scha'ul lehrt den Galatern erneut, wenn man so will, was Gott für sie getan hat und nicht nur für sie, sondern auch für Scha'ul selbst. In Vers 13 sagt er, dass wir ALLE vom Fluch des Gesetzes erlöst sind, wenn wir bedenken, dass das Ergebnis unserer Unfähigkeit das Gesetz zu halten, der Fluch des Gesetzes IST. In Vers 14 erklärt er, dass das, was Abraham passiert ist, jetzt über die Heiden gekommen sei, dass die Verheißung des Geistes durch den Glauben kommt. Er erinnert uns daran, dass diese Verheißung Abraham und seinem Samen gemacht wurde und dass es nur EINEN Samen gibt. Dann legt Scha'ul die Tatsache dar, dass das Erbe dieses Samens nicht durch das Gesetz, sondern durch den Glauben kommt und dass das Gesetz der Sünde wegen gegeben wurde. Der Same wird durch den Glauben empfangen. Für Abraham war es durch die Verheißung des Messias. Für ALLE alttestamentlichen Gläubigen war es durch die Verheißung des Messias. Für Scha'ul und für uns ist es durch den komplett manifestierten Samen, d.h. durch Jeschua, den Messias. Die Verheißungen galten nur denen aus dem SAMEN und es gibt nur EINEN Samen. Es kann nicht einen Weg für die Juden geben und einen anderen für die Heiden, denn es gibt nur einen Samen und einen Weg: durch den Glauben an den Messias! Für den alttestamentlichen Heiligen ist es durch die Verheißung und für uns ist es durch die Erfüllung dieser Verheißung. Wir stehen ALLE unter dem Gesetz, bis der Glaube kommt. Vers 22 schlussfolgert, dass ALLE unter der Sünde stehen und dass die Verheißung durch den Glauben an Jeschua Messias denjenigen gegeben wird, die vertrauen. Dann sagt Scha'ul, dass, bevor der Glaube kommt, wir unter dem Gesetz gehalten werden, bis der Glaube offenbar ist. Scha'ul lehrt nicht, dass alle Juden unter dem Gesetz gehalten würden, bis Jesus kommt, sondern dass wir ALLE unter dem Gesetz stehen, bis der Glaube kommt und dass das Gesetz unser Schulmeister ist, der uns alle auf diesen Glauben hinweist bzw. auf die Verheißung dieses Glaubens. Die Thora lehrt uns alles, was richtig und was falsch ist. Sie zeigt uns unsere sündige Natur und unser Bedürfnis nach einem Erlöser. Scha'ul sagt hier genau das, was er in Römer 6 lehrt: Wenn du Gottes Gnade nicht erhalten hast, dann stehst du unter dem Gesetz. Wenn du dich bemühst, das Gesetz zu halten, dann wird es dich lehren, dass du den Messias brauchst! Es weist dich auf Ihn hin und zeigt dir dein dringendes Bedürnis nach Ihm und deine totale Unfähigkeit, es selbst zu tun. Nirgendwo lehrt Scha'ul in diesen Passagen, dass die Thora ungültig gemacht bzw. zeitweise aufgehoben wurde. Er lehrt nur über ihren Sinn. Wenn ich denke, dass ich von meinem Gehorsam der Thora gegenüber abhänge, um das Erbe zu erhalten, dann ist der Glaube nicht zu mir durchgedrungen.

Dies ist nicht schwer zu verstehen, wenn wir bedenken, dass "unter dem Gesetz" stehen bedeutet, unter der Herrschaft der Sünde und ohne JHWHs Gnade zu sein. Scha'ul nimmt sich viel Zeit, dieses Thema anhand der Schrift zu erklären. Dennoch ist es genau die Doktrin, die im Neuen Testament am meisten für selbstverständlich genommen wird. Zwischen "unter dem Gesetz" stehen und dem Gesetz gehorchen gibt es nur eine sehr dünne Grenze. Manchmal erscheint es wie ein Widerspruch in sich. In 1. Korinther 9,19 bezieht sich Scha'ul mit einer beiläufigen Bemerkung genau darauf. Er sagt: "Denn obwohl ich frei bin von jedermann, habe ich doch mich selbst jedermann zum Knecht gemacht,...." Es ist frei von ihnen, dennoch ist er ihnen auch ein Diener. Denke daran, dass Scha'ul uns in Römer 6 lehrt, dass wir vom Leib der Sünde befreit wurden, um Diener der Gerechtigkeit sein zu können. Nur die Thora bestimmt, was gerecht ist.

Das nächste Mal werden wir uns ausgiebig mit Galater 4,1-7 befassen. Diese Verse ergeben viel mehr Sinn, wenn sie von Scha'uls Kultur aus betrachtet werden und nicht von einer griechischen Warte.

Schalom Alechem!

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